Grundsatz “in dubio pro reo”
Erhebliche und unüberwindliche Zweifel bei der Beweiswürdigung werden zu Gunsten des Beschuldigten gewertet. Es ist Sache der Anklagebehörde, die Schuld zu beweisen.
materiellstrafrechtliches Legalitätsprinzip
Es soll nur strafbar sein, was der Gesetzgeber zuvor in offiziell verkündeten Gesetzen niedergelegt hatte. Ziel ist, Willkür bei der Einleitung von Strafverfahren zu eliminieren.
Nullum crimen, nulla poena sine lege (Keine Stafe ohne Gesetz)
strafprozessuales Legalitätsprinzip
Verfolgungszwang: Die Strafverfolgungsbehörden sind verpflichtet, bei Vorliegen genügender Verdachtsgründe, ihnen bekannt gwordene Straftaten zu verfolgen und die Täter bei festgestellter Strafbarkeit zu verurteilen.
Konsequenzen des Legalitätsprinzips
Nulla poena sine lege scripta = formelles aber kein ungeschriebenes Gesetz als Grundlage
Nulla poena sine lege certa = Bestimmtheitsgebot, Analogieverbot - Richter das keine neuen Tatbestände kreieren
Nulla poena sine lege praevia = Rückwirkungsverbot (Art. 2 StGB)
Strafbefehlsverfahren
Von der Staatsanwaltschaft geleitet. Der Beschuldigte muss nicht angehört werden. Das Gericht entscheidet ohne Hauptverhandlung.
Verjährung
Verfolgungsverjährung = Erlöschen der Möglichkeit, eine Strafverfolgung einzuleiten (Art. 97 f. StGB)
Vollstreckungsverjährung = Verjährung der Strafe / Strafvollstreckung (Art. 99 f. StGB, Art. 109 StGB), eher bei Geldstrafen und Bussen relevant
Abgekürztes Verfahren
Der Antrag erfolgt durch den Angeklagten. Verfahrensleiter ist der Richter, der Angeklagte schliesst einen sog. “Deal” mit dem Richter.
Territorialitätsprinzip
Regelfall: Das Strafgesetz ist auf alle Handlungen anwendbar, die sich auf dem Territorium des (Hoheitsgebiet der Schweiz) ereignen, von den es erlassen wurde. (Art. 3 Abs. 1 StGB) und: Taten, die auf einem Flugzeug oder Schiff verübt werden, das die Schweizer Fallge führt (Flaggenprinzip)
Einschränkung: Strafe wird dem Täter angerechnet, wenn er die Tat in der Schweiz begangen hat und dafür im Ausland verurteilt worden ist (Verbot der doppelten Strafverfolgung) (Art. 3 Abs. 2-4 StGB)
Ubiquitätsprinzip
Begehungsort = Handlungs- und Erfolgsort (Art. 8 StGB), eine Straftat kann an mehreren Orten begangen sein! (Ubiquität = Nichgebundensein an einen Standort)
Personalitätsprinzip
(ergänzende Regeln zum Territorialitätsprinzip) Nationales Strafrecht auch auf Handlungen anwendbar, die durch eigene Staatsangehörige ausserhalb des eigenen Territoriums begangen werden
Räumlicher Geltungsbreich - Anknüpfung bei Auslandtaten
Persönlicher Geltungsbereich
Umstände, unter denen ein Delikt, selbst wenn es auf schweizerischem Boden begangen wurde, nicht unter die Zuständligkeit des StGB fällt (Art. 9 StGB)
Im Prinzip: Schweizerisches Strafrecht ist auf alle Delikte anwendbar, die auf schweizerischem Boden begangen werden, unabhängig von der Person des Täters
Ausnahmen: Militärstrafrecht, Jugendstrafrecht, Diplomatische Immunität, Parlamentarische Immunität
Vorprüfung eines Verbrechens (6 Punkte)
Es braucht eine Norm / ein Gesetz
Diese muss beim Tatzeitpunkt bereits bestehen
Die Tat darf aber auch nicht so weit zurückliegen, dass sie verjährt ist.
Der Täter muss in der Schweiz gehandelt haben (mit gewissen Ausnahmen).
Keine persönlichen Ausschlussgründe (Immunität, Anwendbarkeit MStG oder JStG)
Dann erst kann man prüfen, ob die Tat einer Handlung entspricht, die im StGB oder im Nebenstrafrecht sanktioniert wird.
Verbrechenselemete
Straftat als menschliches Verhalten (juristische Personen sind deliktsunfähig sofern nicht ausdrücklich das Gegenteil vorgesehen ist (Art. 102 StGB))
Straftat als rechtwidirges Verhalten (tatbestandsmässig und ohne Rechtfertigungsgrund)
Straftat als schuldhaftes Verhalten
Einteilung von Delikten
Verbrechen: Taten mit Freiheisstrafe von mehr als 3 Jahren bedroht (Art. 10 Abs. 2 StGB)
Vergehen: Taten mit Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bedroht (Art. 10 Abs. 2 StGB)
Übertretung: Taten mit Busse bedroht (Art. 103 StGB)
Einteilung des Delikts nach Täterverhalten
Begehungsdelikt: aktives Tun ist strafbar
Unterlassungsdelikt: Passivbleiben ist strafbar
Einteilung des Delikts nach Täterwille
Vorsatzdelikt oder Fahrlässigkeitsdelikt
Einteilung des Delilkts nach Wirkung
Tätigkeitsdelikt: Tatbestand ist bereits erfüllt, wenn die Handlung ausgeführt worden ist
Erfolgsdelikt: Ein konkretes Resultat (Erfolg) muss eintreten, damit der Straftatbestand erfüllt ist
Einteilung des Delikts nach Täterkreis
Gemeine Delikte: könne von irgendeiner Person begangen werden
Sonderdelikte: Täter muss einen gewissen Status aufweisen
Einteilung des Delikts nach Intensität
Verletzungsdelikt: konkrete Verletzung des geschützten Rechtsgut nötig
Gefährdungsdelikt: Bestrafung für ein gefährliches (also gefährdendes) Verhalten unabhängig von einer konkreten Verletzung
Einteilung des Deliktes nach Zeitraum
Zustandsdelikt: Deliktuelle Handlung / Unterlassung führt augenblicklich zur Verletzung des Rechtsguts. Danach ist das Delilkt abgeschlossen.
Dauerdelikt: Straftat dauert eine gewisse Zeit an.
Einteilung des Delikts nach Verfolgung
Offizialdelikt oder Antragsdelikt
Tatbestandsmässigkeit
Tatbestand (objektiver und subjektiver Tatbestand)
Rechtswidrigkeit
Schuld
6 Elemente des objektiven Tatbestandes
Täter
Tatobjekt und Tatmittel
Tathandlung
Taterfolg
Kausalität
Objektive Zurechnung
Tätermerkmale
(objektiver Tatbestand)
Frage nach dem WER
bei gemeinen Delikten: jedermann
bei Sonderdelikten: eingeschränkter Täterkreis
echtes Sonderdelikt = Tatbestände, bei welchen Täter bestimmte Eigenschaften / eine bestimmte Stellung innehaben müssen
unechtes Sonderdelikt = Tatbestände, die zwar von (fast) jedermann erfüllt werden können, bei denen die besondere Eigenschaft der Täter jedoch strafschärfend wirkt
Tatobjekt und Tatmittel (+ geschütztes Rechtsgut)
(objektiver Tatbestand)
Tatobjekt: körperliches Angriffsobjekt einer Straftat (bsp. Tötung - Mensch, Sachbeschädigung - Sache)
Geschütztes Rechtsgut: Betrifft das ideelle Interesse, welches durch die Strafnorm geschützt werden soll (bsp. Tötung Leben, Sachbeschädigung - Eigentum)
Tatmittel: Hilfsmittel, mit der der Täter die Tat ausführt (bsp. Gift, Waffe, gefährlicher Gegenstand)
Tathandlung (inkl. Problemfälle)
(objektiver Tatbestand)
Tätigkeit, mit der die Straftat erfüllt ist —> jedes menschliche Verhalten, das vom Willen beherrscht oder wenigstens beherrschbar und daher personal zurechenbar ist, umfasst: aktives Tun und Unterlassen, vorsätzliches und fahrlässiges Verhaltene
Problemfälle:
Bewegungen im Schlaf, im Zustand Bewusstlosigkeit oder unter Hypnose
Handeln im schweren Rauschzustand
Reflex- und Krampfbewegungen
Affekt- und Kurzschlussverhalten (Gemütserregung)
Taterfolg
(objektiver Tatbestand)
nur bei Erfolgsdelikten
Handlung führt zu einer konkreten Aussenwirkung (Erfolg)
Handlung ———— Kausalität ————> Erfolg
Kausalität
(objektiver Tatbestand)
ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal —> muss bei der Rechtsanwendung bei allen Erfolgsdelikten hinzugedacht werden
natürliche Kausalität und adäquate Kausalität
natürliche Kausalität
Äquivalenzformel / conditio sine qua non - Formel
Ursache ist jede Bedingung, die nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der betreffende Erfolg entfällt
Jede Bedingung zählt als Ursache gleich viel
Frage: Wäre der Erfolg ausgeblieben, wenn man die auf ihre Kausalität zu prüfende Handlung wegdenkt?
adäquate Kausalität
Adäquanztheorie
Ursache ist jedes Verhalten, das nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, den betreffenden Erfolg herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen (Man muss mit diesen Folgen rechnen.)
Nicht der Fall, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände als Mitursache hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste
nur bei Fahrlässigkeitsdelikten angewendet
abgebrochene / überholende Kausalität
EIn Kausalvorgang kommt nicht zum Zug, weil eine andere Ursache rascher einen Erfolg bewirkt.
—> Die “überholende” Bedingung ist kausal für den Erfolg, die “abgebrochene” Bedingung nicht.
hypothetische Kausalität mit gleichem Erfolg (Ersatzursachen)
Eine Ursache bewirkt einen Erfolg, wobei eine andere Ursache zum gleichen Erfolg geführt hätte.
—> Die hypothetische Kausalität der anderen Ursache ist unbeachtlich.
doppelte (alternative) Kausalität
Mehrere Ursachen führen unabhängig voneinander zum selben Erfolg.
—> Jede Ursache wird für sich alleine gesetzt betrachtet.
kumulative Kausalität
Zwei für den Erfolg nicht hinreichende Ursachen werden unabhängig voneinander gesetzt und bewirken durch ihr Zusammentreffen den tatbestandsmässigen Erfolg.
—> Beide Handlungen sind erst gemeinsam ursächlich und gelten als gleichermassen ursächlich.
—> Rechtsfolge abhängig von subjektivem Tatbestand:
vorsätzlich zusammengewirkt —> Mittäterschaft
vorsätzlich alleine gehandelt —> Strafbarkeit ewgen Versuchs (der geplanten Tat)
fahrlässig gehandelt —> straflos, da Sorgfaltswidirgkeit für sich nicht zum Erfolg führte
objektive Zurechnung
(objektiver Tatbestand)
Ein Erfolg ist objektiv zurechenbar, wenn der Täter:
eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat und
diese Gefahr sich im tatbestandsmässigen Erfolg verwirklicht
Der Erfolg muss als das wahre Werk des Täters qualifiziert werden können.
Einschränkung der Erfolgszurechnung nach dem Schutzzweck der verletzten Verhaltensnorm.
3 Elemente des subjektiven Tatbestandes (und Beschreibung)
Damit der Urheber einer objektiv strafbaren Handlung auch wirklich strafbar ist, muss ihm bewusst gewesen sein, was er tut. Bestraft werden nur vorwerfbare, schuldhafte Taten, nicht unbeabsichtigte oder zufällige Taten.
Vorsatz (Wissens- und Willenskomponente)
sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale (Absichten, Beweggründe, Gesinnungsmerkmale)
ggf. Sachverhaltsirrtum (Art. 13 StGB)
Die Wissensseite des Vorsatzes
(subjektiver Tatbestand)
Der Täter muss sich im Klaren sein, dass er eine rechtswidrige Handlung begeht oder begangen hat. (Dies ist er nicht, wenn ein Sachverhaltsirrtum / Rechtsirrtum vorliegt.)
Das Wissen über die Tatumstände: Kenntnis und Bedeutung der realen Tatumstände im Sinne aller objektiven Tatbestandsmerkmale (inkl. Wissen um die Begleitumstände). Der Täterist sich aller den Tatbestand charakterisierenden Merkmale bewusst: Tätereigenschaft, Tatobjekt, Tatmittel, Tathandlung, Taterfolg, Umrisse des Kausalverlaufs.
Die Voraussicht des Geschehensablaufts: Erkennen des Kausalzusammenhangs (von besonderer Bedeutung im Hinblick auf den Sachverhaltsirrtum / aberratio ictus).
Die Willensseite des Vorsatzes
Fiktion des freien Willens: Das Strafrecht nimmt an, dass alle Menschen über einen minimalen Entscheidungsspielraum verfügen, der es ihnen erlaubt, den gesellschaftlichen Erwartungne gerecht zu werden und die mit Strafen belegten Handlungen zu unterlassen.
Bedingungen müssen daher erfüllt sein, damit jemand für eine strafbare Handlung zur Rechenschaft gezogen werden kann:
Der Täter muss den Entschluss gefasst haben, die objektiven Tatbestandsmerkmale zu verwirklichen.
Abgleichen von Tatumständen, Tathandlung bzw. Taterfolg und Kausalzusammenhang mit dem Ziel und dem geäusserten Verhaltenswillen
Tatmacht: Der Täter muss die tatbestandsmässige Handlung ausführen wollen oder den tatbestandsmässigen Erfolg durch sein Handeln bewirken wollen.
Formen des Vorsatzes und Fahrlässigkeit (Abbildung)
5 Vorsatzarten
direkter Vorsatz ersten Grades (dolus directus)
Eintritt für sicher halten (Wissen), Erfolg angestrebt (Wollen)
Täter will einen bestimmten Erfolg herbeiführen. Genau dieser tatbestandsmässige Erfolg bildet Ziel seiner Handlung oder Unterlassens.
direkter Vorsatz zweiten Grades (dolus directus)
Eintritt für sicher halten (Wissen), Erfolg in Kauf genommen (Wollen)
Täter will bestimmten Erfolg herbeiführen. Der direkte Vorsatz bezieht sich auch auf alle tatbestandsmässigen Erfolge, die als notwendige Voraussetzung, als Durchgangsstufe zur Errichung des Handlungsziels erscheinen.
Eventualvorsatz (dolus eventualis)
Eintritt für möglich halten (Wissen), Erfolg in Kauf genommen (Wollen)
bewusste Fahrlässigkeit
Eintritt für möglich halten (Wissen), auf Ausbleiben des Erfolgs vertraut (Wollen)
unbewusste Fahrlässigkeit
Eintritt nicht vorausgesehen / nicht bedacht (Wissen), keine Willenskomponente (Wollen)
Theorien zum Eventualvorsatz
Billigungstheorie: (ältere Lehre und Rechtsprechung) Der Täter will den Erfolg für den Fall, dass er eintrifft, indem er ihn billigt. Billigung entspricht einem unausgesprochenen, aus dem Verhalten herleitbaren Akzeptieren des Erfolgs.
Wahrscheinlichkeitstheorie: (aktuelle Lehre und Rechtsprecehung) Der Täter findet sich mit dem Erfolg im vornherein ab, wenn er weiss, dass er durch sein Handeln den Eintritt des Erfolgs gegenüber dem Nichthandeln massiv erhöht und ihn das Wissen um diese erhöhte Erfolgseintrittswahrscheinlichkeit von der Tat nicht abhält, weil er willentlich ein Ziel verfolgt, das diese Erhöhung der Erfolgswahrscheinlichkeit nach sich zieht. (Art. 12 Abs. 2 StGB)
Sachverhaltsirrtum
Irrtum über relevante Tatbestandsmerkmale (Art. 13 StGB)
Generell wird nach dem Sachverhalt beurteilt, den der Täter sich vorgestellt hat. So kann ein Sachverhaltsirrtum zu einem Freispruch führen, es sei denn, die fragliche strafbare Handlung sei auch bei Fahrlässigkeit strafbar.
Der Vorsatz des Täters geht aufgrund eines Wissensmangels von einem anderen als dem tatsächlichen Sachverhalt aus. Der Täter irrt über den Sachverhalt.
Der Täter ist nach dem Sachverhalt zu beruteilen, den er sich vorgestellt hat.
Hätte der Irrtum bei pfilchtgemässer Vorsicht vermieden werden können, so ist die Tat wegen Fahrlässigkeit zu bestrafen, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist.
Verbotsirrtum
Irrtum über die Rechtswidrigkeit (Art. 21 StGB)
unvermeidbarer Verbotsirrtum: wer nicht weiss und nicht wissen kann, dass er strafbar handelt —> Schuldausschlussgrund
vermeidbarer Verbotsirrtum: wer nicht weiss, aber hätte wissen können, dass er strafbar handelt —> Schuldmilderungsgrund
Eine Person weiss nicht oder kann nicht wissen, dass sie sich rechtswidrig verhält. Sie handelt nicht schuldhaft. Aber: error iuris nocet - Unwissenheit schützt nicht vor Strafe.
Das Vorliegen eines Rechtsirrtums kann zu einer Strafmilderung führen.
Vorraussetzungen:
Fehlen Unrechtsbewusstsein (Tatsachenfrage)
Unvermeidbarkeit des Irrtums (Rechtsfrage)
= Schuldausschluss (Rechtsfolge Art. 21 StGB)
Irrtumsformen des Sachverhaltsirrtum
error in persona: Irrtum bezüglich Person des Opfers
error in objecto: Irrtum bezüglich Tatobjekt
aberratio ictus vel impetus: Irrtum über den Kausalverlauf —> Der tatsächlich herbeigeführte Geschehensablauf entspricht nicht dem vorgestellten (bei Erfolgsdelikten).
aberratio ictus: (Abirrung des Schlages) Täter verfehlt das anvisierte Tatobjekt und trifft stattdessen ein anderes.
Arten von Verbotsirrtum
direkter Rechtsirrtum:
Täter erkennt den Sachverhalt, geht aber aufgrund einer fehlerhaften rechtlichen Würdigung davon aus, dass sein Verhalten nicht strafbar ist
indirekter Rechtsirrtum:
Täter weiss, dass sein/ihr Verhalten normalerweise verboten ist, hält dieses aber irrtümlich unter den vorhandenen besonderen Umständen für ausnahmsweise erlaubt
strafloses Wahndelikt (Putativdelikt):
Täter kommt irrigerweise zu der Auffassung, sein Verhalten sei strafbar, was tatsächlich nicht der Fall ist
Subsumtionsirrtum:
Täter kennt den Tatbestand, subsumiert sein eigenes Verhalten jedoch irrtümlicherweise nicht darunter
Relevanz des Irrtums
wesentlicher, relevanter Irrtum: Wenn der gewollte vom erzielten Erfolg mit Bezug auf die Rechtsgüterqualität des Angriffsobjekts abweicht
unwesentlicher, irrelevanter Irrtum:
Wenn der gewollte Erfolg durch einen vom Täter beeinflussten, aber anders als ursprünglich gedachten Kausalverlauf herbeigeführt wird.
Wenn die Rechtsgüterqualität des Angriffsobjekts vom Irrtum nicht betroffen ist.
Versuch
Versuch ist strafbar, wer mit der Ausführung einer strafbaren Tat begonnen hat, ohne diese zu vollenden. (Art. 22 StGB)
versuchtes vs vollendetes Delikt
straflose Vorbereitungshandlung vs Versuch
Kein fahrlässiger Versuch möglich, da vorsätzlicher Verwirklichungswille fehlt!
Zeitachse des Strafversuchs
Abgrenzung zwischen Vorbereitungshandlung und Versuch
Schwellentheorie
Zum Beginn der Tatausübung (= Versuch) gehört schon jede Tätigkeit, die nach dem Plan, den sich der Täter gemacht hat, auf dem Weg zum Erfolg den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem in der Regell kein Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände, die eine Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder verunmöglichen. (point of no return ist ab Anfangen der Tat)
Massgemlich ist die Vorstellung der Täter, unabhängig davon, ob diese mit den objektiven Fakten übereinstimmt oder nicht.
Objektive Masstäbe für die Entscheidung, ob die Schwelle überschritten wurde:
räumliche und zeitliche Nähe
konkrete Gefärdung des Rechtsguts
Abgrenzung zwischen Vorbereitungshandlung und Versuch (Abbildung)
untauglicher Versuch
untauglicher Versuch als Sachverhaltsirrtum:
umgekehrter Sachverhaltsirrtum —> Der Täter denkt irrigerweise, er begeht eine strafbare Handlung, tut dies in Wirklichkeit aber nicht. Typischerweise irrt der Täter hier über eine Eigenschaft des Tatobjekts oder des Tatmittels
untauglicher Versuch als Putativdelikt:
umgekehrter Irrtum über die Rechtswidrigkeit —> Der Täter irrt sich über die Strafbarkeit der Handlung.
Rücktritt und tätige Reue
(Art. 23 Abs. 1 StGB)
Rücktritt (vom unvollendeten Delikt):
Entschluss, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende zu führen (d.h. nur möglich bei unvollendetem Delikt)
Handeln aus eigenem Antrieb
Tätige Reue
nur nach Vollendung und vor Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs möglich → Beitrag zur Verhinderung der Vollendung der Tat
Handeln aus eigenem Antrieb
Beteligungsformen Vorsatzdelikt (Abbildung + 2 Punkte)
Täterschaft: Täter ist, wer bei der Entschlussfassung, der Planung und der Ausführung der Tat eine wichtige Rolle spielt. Nicht erforderlich ist, dass der Täter alle Tatbestandsmerkmale persönlich verwirklicht.
Teilnahme: Anstifter oder Gehilfe
Mittäterschaft
mehrere Täter, “mit anderen”
Mittäter ist, wer bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung eines Delikts vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiliger dasteht.
objektives Mittäterschaftsmerkmal: Tatherschafft
Ein Tatbeitrag ist notwending (nicht nur blosses psychisches Unterstützen) und massgeblich (Tatbestandserfüllung davon abhängig)
subjektives Mittäterschaftsmerkmal: Tatherrschaftswille (Tatentschluss)
begründet Mittäterschaft
explizit, konkludent oder gar nachträglich
Grenze bei sog. Mittäterschaftsexzess (wenn Täter sich nicht an den Plan hält und noch zusätzlich eine Straftat begeht, kann es dem anderern nicht auch auferhängt werden)
Nebentäterschaft
mehrere Täter, “nebeneinander”
Mehrere Tatbeteiligte wirken unabhängig voneinander auf denselben Taterfolg hin.
Konstruktion eigentlich unnötig, da unter allen Aspekten als mehrfache Alleintäterschaft behandelt.
Bei Vorsatz und Fahrlässigkeit möglich
Fahrlässige Mittäterschaft?
In der Lehre umstritten, Rechtsprechung «wechselhaft»...
Denkbare Konstellationen:
A) Mehrere Personen machen unabhängig voneinander einen «Seich» und ein Erfolg tritt ein. Es ist unklar, wessen Handlung den Erfolg kausal herbeigeführt hat (Bsp. Feuerwerk).
B) Mehrere Personen beschliessen zusammen, einen «Seich» zu machen und ein Erfolg tritt ein. Man kann von einer gemeinsamen Tathandlung ausgehen (Bsp. Rolling Stones).
C) Mehrere Personen sind für sich alleine unsorgfältig und ein Erfolg tritt ein. Die Sorgfaltswidrigkeiten waren je alleine adäquat kausal für den Erfolgseintritt.
D) Mehrere Personen sind für sich alleine unsorgfältig, aber erst durch die kumulative Unsorgfalt entsteht ein Erfolg.
Mittelbare Täterschaft
mehrere Täter, “durch einen anderen”
Die mittelbare Täterschaft (bzw. Hintermann/-frau) bedient sich zur Begehung des Delikts einer anderen Person (Tatmittler*in, Vordermann/-frau oder Werkzeug) die den Tatbestand ohne Vorsatz und/oder Schuld ganz oder teilweise verwirklicht.
Es braucht somit:
mittelbaren Täter (Hintermann)
Tatmittler
Der mittelbare Täter wirkt vorsätzlich auf den Tatmittler, damit dieser die Tat ausführt
Der mittelbare Täter handelt vorsätzlich, der Tatmittler hingegen nicht. Bestrafung des mittelbaren Täters wegen vorsätzlicher Verübung der Tat. Keine Bestrafung des Tatmittlers, da kein Vorsatz (allenfalls Strafbarkeit wegen fahrlässiger Herbeiführung der Tat, falls Handeln aufgrund einer pflichtwidrigen Unvorsichtigkeit).
unmittelbare Täterschaft
Alleintäterschaft, “selbst”
Voraussetzungen Anstiftung
1. Tatbestandsmässige und rechtswidrige Haupttat (die mindestens bis ins Stadium des Versuchs gelangt ist)
2. Teilnahmehandlung
In objektiver Hinsicht:
Einwirkungshandlung: Bestimmen = Hervorrufen des Tatentschlusses bei/beim Haupttäter*in mit einem grundsätzlich beliebigen Anstiftungsmittel
Motivationszusammenhang (Einwirkungführt zu Tatentschluss)
In subjektiver Hinsicht:
Doppelter Anstiftungsvorsatz, d.h. (Eventual-)Vorsatz mit Bezug auf:
Die in ihren Grundzügen individualisierte Haupttat
Das Hervorrufen des Tatentschlusses beim Angestifteten
Rechtsfolge: Anstifter unterliegt der gleichen Strafandrohung wie Täter
Versuchte Anstiftung
(Art. 24 Abs. 2 StGB)
Nur strafbar, wenn es sich um ein Verbrechen (Art. 10 Abs. 2) handelt
Anstifter muss mit der Ausführung des in Art. 24 Abs. 1 umschriebenen Verhaltens begonnen haben
Zwei Varianten der versuchten Anstiftung:
Anstifter vermag keinen Tatentschluss bei der angestifteten Person zu wecken.
Anstifter weckt einen Tatentschluss bei der angestifteten Person, diese überschreitet aber bei der Ausführung des Delikts die Schwelle zum Versucht nicht
Gehilfenschaft
(Art. 25 StGB)
Wer zu einem Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet, wird milder bestraft.
Versuchte Beihilfe bleibt straflos (da keine der Regelung in Art. 24 Abs. 2 entsprechende Vorschrift in Art. 25 zu finden ist)
Die Gehilfenschaft ist vollendet, wenn die Haupttat ihrerseits vollendet oder in strafbarer Weise versucht wurde
Abweichen der tatsächlich verübten von der vom Gehilfen gewollten Tat:
Täter begeht eine gleichartige, aber geringfügigere Tat: = Gehilfenschaft zur geringfügigeren Tat (da versuchte Gehilfenschaft nicht strafbar)
Täter begeht eine gleichartige, aber schwerwiegendere Tat: = Bestrafung wegen Gehilfenschaft zur gewollten Tat (entsprechend des Vorsatzes des Gehilfen)
Täter begeht eine andersartige als die vom/von der Gehilfen/Gehilfin gewollte Tat: = Gehilfe bleibt straflos
Voraussetzungen Gehilfenschaft
1. Tatbestandsmässige und rechtswidrige Haupttat
2. Teilnahmehandlung
«Wer die Vorsatztat eines andern vorsätzlich und in untergeordneter Stellung fördert» (Delikt muss Tat fördern, aber nicht so wesentliche, dass der Gesamtplan mit der Tathandlung gelingt.)
In objektiver Hinsicht:
Tatbeitrag:
Physische Gehilfenschaft
Psychische Gehilfenschaft
Förderungskausalität (Handlung muss mit Förderung der Tat in Verbindung stehen)
In subjektiver Hinsicht:
Vorsatz oder Eventualvorsatz mit Bezug auf die Förderung der Haupttat
Mittäterschaft vs Anstiftung
Anstifter beschränkt sich daraug, den Tatentschluss bei einer anderen Person hervorzurufen; Mittäter will die Tat hingegen selber begehen.
Mittäterschaft vs Gehilfenschaft
Gehilfe verfügt nicht über Tatherrschaft, sondern leistet lediglich einen untergeordneten Tatbeitrag
Anstiftung vs Gehilfenschaft
Anstifer ruft den Tatentschluss hervor; der Gehilfe unterstützt oder bestärkt den Täter lediglich in seinem bereits entstandenen Entschluss, die Tat zu begehen. Beide haben aber keine Tatherrschaft in der Planungs- und Ausführungsphase.
Teilnahme am Sonderdelikt
(Art. 26 StGB)
Teilnehmer am echten oder unechten Sonderdelikt (Extraneus) ist ebenfalls für die Mitwirkung am Delikt des Haupttäters strafbar
Jedoch obligatorische Strafmilderung (aufgrund fehlender Sonderpflicht des Teilnehmers)
Mittäterschaft bleibt in Art. 26 unerwähnt; in der Lehre umstritten.
bei unechten Sonderdelikten kein Problem, da Täter ohne besondere Eigenschaft ohnehin mit einer geringeren Strafe bedroht wird
bei echten Sonderdelikten: Extraneus ist ebenfalls strafbar, allerdings nicht als Täter, sondern als Anstifter oder Gehilfe (da nicht alle TB-Merkmale erfüllt)
Berücksichtugung der persönlichen Verhältnisse
(Art. 27 StGB)
Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.
Grundgedanke: Jeder Beteiligte soll nach seiner jeweiligen Individualschuld beurteilt werden
Betrifft lediglich schuldbezogene, persönliche Merkmale
Sachliche Merkmale werden den Teilnehmern/Mittätern jedoch angerechnet, wenn sie für sie erkennbar waren (daher ist Art. 27 dort nicht anwendbar)
Grundsätzliches bei der Rechtswidrigkeit
Nicht jede tatbestandsmässige Handlung oder Unterlassung ist unrecht. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein deliktisches Verhalten rechtmässig sein. Dies gilt gleichermassen für Begehungs- wie auch für Unterlassungsdelikte sowie für Vorsatz- als auch für Fahrlässigkeitsdelikte.
—> Rechtswidrigkeit ist deshalb bei jedem Delikt zu prüfen.
Bei fast allen Delikten prüfen wir die Rechtswidrikeit jeweils “negativ”, d.h. mit der Frage nach Rechtfertigungsgrünen.
Einige wenige Delikte erfordern eine “positive Prüfung” der Rechtswidrigkeit.
Gesetzlich erlaubte Handlung
(Art. 14 StGB) Rechtfertigungsgrund
Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
Gesetz im materiellen Sinn (auch Verordnung, Reglemente), evtl. konkretisiert durch eine Verfügung (bsp. Hausdurchsuchungsbefehl).
Verhältnismässigkeitsgrundsatz
Rechtfertigungsgrund: Notwehr (Abbildung)
Rechtfertigende Notwehr
(Art. 15 StGB)
“Recht braucht Unrecht nicht zu weichen.” (Rahmen, wo ich mich auf Angriffe auf meine Rechtsgüter schützen darf.)
Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.
Rechfertigungsgrund für (angemessene) Eingriffe in Rechtsgüter eines rechtswidrig Angreifenden.
Öffentliche Rechtsgüter sind nicht notwehrfähig.
Rechtfertigende Notwehr: objektive Voraussetzungen
1. Vorliegen einer Notwehrsituation
Ein individuelles Rechtsgut (z.B. Leib, sexuelle Integrität) wird verletzt oder gefährdet oder dies steht unmittelbar bevor
Gegenwärtig ist der Angriff bis das abzuwehrende Delikt beendigt ist
Angriff muss rechtswidrig erfolgen
Berechtigt sind nicht nur die Angegriffenen, sondern auch andere (sog. Notwehrhilfe)
Auch fahrlässige oder nicht schuldhafte Angriffe können rechtswidrig sein
Abwehrhandlungen müssen sich gegen Angreifer*in selbst richten
Keine Notwehrbefugnis gegen vorsätzlich provozierte Angriffe (?)
2. Angemessenheit: Subsidiarität
Angemessen ist die Abwehr, wenn der Angriff nicht mit anderen, weniger gefährlichen Mitteln hätte abgewendet werden können
Das Mittel muss abwehrtauglich sein
Abwägung der Angemessenheit im Rahmen des situativ Zumutbaren
Berücksichtigung der Person des/der Angreifers/Angreiferin (evtl. schuldunfähig), der Abwehrenden sowie Ort und Zeit
3. Angemessenheit: Proportionalität (Verhältnismässigkeit)
Die durch die Abwehrhandlung betroffenen Rechtsgüter dürfen in keinem Missverhältnis zu den dadurch zu schützenden Rechtsgütern stehen
Gleichwertigkeit ist verhältnismässig
Richtlinie: Leben ≥ Leib/sex. Integrität, Freiheit > Eigentum/Ehre/Hausfrieden
Zurückhaltung bei Bagatelldelikten
Rechtfertigende Notwehr: subjektive Voraussetzungen
Wissen um den rechtswidrigen Angriff (Notwehrlage)
Handeln mit Verteidigungswille
—> muss klar sein, dass ein Angriff vorliegt und es muss mir darum gehen, mich zu verteidigen
Fehlt es an einem dieser Merkmale, liegt ein untauglicher Versuch vor. Ein Irrtum hinsichtlich der Notwehrsituation ist als Putativnotwehr (Sachverhaltsirrtum gemäss Art. 13 StGB) zu behandeln. Ein entschuldbarer Irrtum über die Zulässigkeit der Abwehrbefugnis ist als Verbotsirrtum (Art. 21 StGB) zu qualifizieren.
Notwehrhilfe
Neben dem Angegriffenen sind auch Drittpersonen zur Notwehr berechtigt, wenn sie dem Angegriffenen beistehen. Es gelten für sie dieselben Kriterien wie für den Angegriffenen selbst.
Notwehrexzess
(Art. 16 Abs. 1 StGB)
Abwehrhandlung überschreitet die Grenzen von Art. 15 StGB
Abwehr des Angriffs in nicht angemessener Weise —> Verstoss gegen Subsidiarität und Proportionalität (intensiver Exzess)
Überschreiten der zeitlichen Begrenzung (extensiver Exzess) —> Gemäss BGer und Teilen der Lehre keine Notwehrsituation und daher keine Anwendung von Art. 16 StGB
Konsequenz des Notwehrexzesses: Obligatorische Strafmilderung (Art. 16 Abs. 1 StGB)
Rechfertigungsgrund: Notstand (Abbildung)
Rechtfertigender Notstand
(Art. 17 StGB)
«Not kennt kein Gebot»: Das Zusammenleben in einer Rechtsgesellschaft kann Eingriffe in Rechtsgüter von unbeteiligten Dritten rechtfertigen, um höherwertige individuelle Rechtsgüter vor einer akut drohenden Gefahr zu schützen
Defensivnotstand: Notstandshandlung richtet sich gegen die Person, welche die Gefahr geschaffen hat.
Aggressivnotstand: Notstandshandlung richtet sich gegen die Rechtsgüter unbeteiligter Dritter.
Rettung nur von Individualgütern (nicht öffentliche Interessen)
Merke:
Dient die Rettungshandlung hauptsächlich den Interessen von Betroffenen, ist diese nicht durch Notstand, sondern durch mutmassliche Einwilligung gerechtfertigt.
Wenn das gerettete Rechtsgut das geschädigte wertmässig nicht überwiegt, liegt evtl. entschuldbarer Notstand (Art. 18 Abs. 2 StGB) vor.
Zivilrechtlich befreit Notstand nicht von der Schadenersatzpflicht.
Rechtfertigender Notstand: objektive Voraussetzungen
1. Notstands- bzw. Gefahrenlage
Gefahr, welche die Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgutverletzung hoch erscheinen lässt, oder bereits eingetretene, anhaltende Rechtsgutverletzung (z.B. rechtswidriger Angriff)
Gefahr muss unmittelbar drohen
Gefahr braucht nicht rechtswidrig herbeigeführt worden zu sein (Naturkatastrophe)
Die Gefahr kann auch selbst verschuldet sein. Ihre Herbeiführung darf aber nicht strafbar sein.
Rechtmässige Eingriffe bilden keine Gefahr i.S.v. Art. 17 StGB!
Gefahrentragungspflicht: Angehörige von Berufen im Dienst der Gefahrenabwehr (Feuerwehrleute, Polizist*innen, Soldat*innen, Bergführer*innen u.a.) haben bei der beruflichen Pflichterfüllung ihre persönliche Sicherheit in erhöhtem Mass preiszugeben.
2. Angemessenheit: Subsidiarität
Im Gegensatz zur Notwehr sind Notstandshandlungen absolut subsidiär: Es gibt zur Gefahrenabwehr keine anderen Möglichkeiten, als in die Rechtsgüter Dritter einzugreifen.
Anforderungen an die Prüfung von Alternativen
Der Eingriff ist möglichst schonend vorzunehmen.
3. Angemessenheit: Proportionalität (Verhältnismässigkeit)
Rettung eines höherwertigen Rechtsgutes auf Kosten eines geringerwertigen Interesses (keine Gleichheit der Rechtsgüter)
Zu berücksichtigen ist dabei auch die Grösse der Gefahr und ob es sich um eine Defensiv- oder Aggressivnotstandssituation handelt
Rechtfertigender Notstand: subjektive Voraussetzungen
Rettungsvorsatz (umstritten)
Verkennt der Notstandübende die Notstandsituation gänzlich, so liegt untauglicher Versuch vor.
Nimmt er fälschlicherweise an, es liege eine Notstandssituation vor, so ist Putativnotstand gegeben (Sachverhaltsirrtum gemäss Art. 13 StGB).
Verkennt er die rechtlichen Voraussetzungen des Notstandes, so liegt evtl. ein Rechtsirrtum gemäss Art. 21 StGB vor.
Notstandshilfe
Die Bestimmungen über den Notstand gelten auch für Personen, welche einer nostandsberechtigten Perosn Hilfe leisten.
Notstandsexzess
(Art. 18 Abs. 1 StGB)
Geschützte Interessen der Täter sind nicht höherwertig als das geopferte Rechtsgut —> Subsidiarität oder Proportionalität missachtet
Preisgabe des gefährdeten Guts wäre zumutbar gewesen
Konsequenz: Obligatorische Strafmilderung (Art. 18 Abs. 1)
Falls Preisgabe des gefährdeten Guts nicht zumutbar → Schuldausschlussgrund, Art. 18 Abs. 2 StGB
Schuldprinzip
nulla poena sine culpa: Schuld als Voraussetzung der Strafbarkeis
Art. 19 - 21 StGB
übergeordneter Grundsatz im Strafrecht
Keine Strafe ohne Schuld: Schuld und Strafe müssen dabei aber korrespondieren
Verschulden als Richtlinie für die Strafzumessung
Art. 47 StGB
Proportionalitätsprizip: Strafe und Schuld müssen in angemessenem Verhältnis stehen
Prozessuale Komponente: Strafprozess muss es ermöglichen, Schuld angemessen abzubilden.
Unterscheidung Schuld i.w.S. (i.S.d. Schuldprinzips) und Schuld i.e.S. (i.S.d. Deliktaufbaus)
Schuld als Vorwerfbarkeit des Unrecht: Voraussetzungen
Täter muss schuldfähig sein
Hieran fehlt es, wenn er aufgrund bestimmter Defekte nicht in der Lage ist, das Unrecht seines Verhaltens einzusehen oder (soweit er einsichtsfähig ist) seiner Einsicht gemäss zu handeln (Art. 19 StGB) (psychische Störung, Intoxikation, Bewusstseinstörung…)
Täter muss Unrechtsbewusstsein haben
Hieran fehlt es, wenn sich der Täter in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befindet (Art. 21 StGB)
Das normgemässe Verhalten muss für den Täter zumutbar sein
Hieran fehlt es, wenn bestimmte Umstände vorliegen, die das Verhalten von Tätern zwar nicht rechtfertigen, aber doch entschuldigen. (Art. 16, 18 StGB) (Notwehr, Notstand)
Schuldfähigkeit
Grundlage des Schuldvorwurfs ist das „Anders-Handeln-Können“ (Fiktion Willensfreiheit?)
Grundsätzlich wird unterstellt, dass ein volljähriger Mensch für sein Verhalten verantwortlich ist, da er auch hätte anders handeln können.
Hieraus folgt für die Fallbearbeitung:
Es werden nur diejenigen Schuldausschlussgründe geprüft, die im Einzelfall aufgrund konkreter Anknüpfungspunkte problematisch erscheinen.
Falls keine Anhaltspunkte vorliegen: Aussage, dass Schuldausschlussgründe nicht ersichtlich und damit Täter schuldhaft gehandelt hat.
Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit
Grundsätzlich muss Schuldfähigkeit im Zeitpunkt der Tatbegehnug gegeben sein.
Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit können als Abweichung vom erwarteten Normalzustand angesehen werden. Wenn Art. 19 Abs. 1 StGB eingreift, ist eine Bestrafung grundsätzlich ausgeschlossen (Massnahmen bleiben vorbehalten).
Schuldunfähigkeit setzt voraus, dass der Täter zur Zeit der Tat
nicht fähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen (fehlende Einsichtisfähigkeit)
oder dass er unfähig ist, entsprechend der Unrechtseinsicht zu handeln, d.h. die Tat zu unterlassen (Bestimmungs- Steuerungs- oder Hemmungsfähigkeit)
Voraussetzungen:
Kindesalter
→ Kinder unter 10 Jahren nicht strafmündig → 10-18 Jahre: Jugendstrafrecht (Art. 9 StGB)
psychische Störung («abnormer Zustand der Psyche»)
→ Geisteskrankheit (z.B. Schizophrenien, Affektive Störungen, Persönlichkeitsstörungen) → Intelligenzmangel
→ Schwere Bewusstseinsstörung (z.B. Intoxikation, Trauma, Epilepsie)
Verminderte Schuldfähigkeit: Art. 19 Abs. 2
→ Teilweise Fähigkeit zur Unrechtseinsicht und zum Handeln danach
Art. 19 Abs. 2 StGB: Verminderte Schuldfähigkeit als Strafmilderungsgrund
Ausnahme: Wenn die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 4 StGB gegeben sind
Zweifelhafte Schuldfähigkeit
(Art. 20 StGB)
Besteht ernsthafter Anlass, an der Schulfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an.
Feststellung Schuldfähigkeit
1. Frage: Diagnose → Feststellen der psychischen Störung
2. Frage: Wirkung des Defekts:
Fähigkeit zur Tatzeit das Unrecht einzusehen
Fähigkeit, sich in Tatsituation nach dieser Einsicht zu richten
Rechtsfolge:
Schuldunfähigkeit → Freispruch
Verminderte Schuldfähigkeit → Strafmilderung
actio libera in causa
(Art. 19 Abs. 4 StGB)
Art. 19 Abs. 1: Straflos, WEIL schuldunfähig
Art. 19 Abs. 4: Strafbar, OBWOHL schuldunfähig, da Bewusstseinsstörung verschuldet herbeigeführt
verschuldete Herbeiführung der eigenen Schuldunfähigkeit
actio libera in causa = die, zwar nicht in der Ausführung, aber in ihrem Ursprung (causa) freiverantwortete (libera) Tathandlung (actio)
Grundgedanke: Rechtsmissbrauch
Rechtsfolge: volle Bestrafung
vorsätzliche actio in libera causa: Täter versetzt sich vorsätzlich in den Zustand der Schuldunfähigkeit / verminderten Schuldfähigkeit und hat den Vorsatz, in diesem Zustand ein bestimmtes Delikt zu begehen. —> vorsätzliche Begehung dieser Tat => vollte Vorsatzstrafe
fahrlässige actio in libera causa: Täter versetzt sich vorsätzlich in den Zustand der Schuldunfähigkeit / verminderten Schuldfähigkeit oder hätte bei pflichtgemässer Vorsicht voraussehen können, dass er das Unrecht verwirklichen könnte. —> fahrlässige Begehung dieser Tat => volle Fahrlässigkeitsstrafe
Rauschtat
(Art. 263 StGB)
Auffangnorm zur actio libera in causa:
Selbstverschuldete «Unzurechnungsfähigkeit»
Im Berauschungsmoment Tat weder geplant noch vorhersehbar, oder
Tat zwar vorhersehbar, aber nicht fahrlässig strafbar.
Begehung der Tat
→ Bestrafung nach Art. 263 StGB
Täter versetzt sich vorsätzlich oder fahrlässig (=selbstverschuldet) in den Zustand der Schuldunfähigkeit, allerdings weder mit dem Vorsatz, in diesem Zustand eine strafbare Handlung zu begehen, noch mit der Möglichkeit, die Rauschtat vorauszusehen (=Subsidiarität) und begeht in diesem Zustand ein Verbrechen oder Vergehen, für weches er wegen Schuldunfähigkeit nicht bestraft werden kann.
Verübung einer Tat im Zustand selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit
Objektiver Tatbestand: Täter versetzt sich in den Zustand der Unzurechnungsfähigkeit
Subjektiver Tatbestand: Selbstverschuldet (= Vorsatz oder Fahrlässigkeit)
Rechtswidrigkeit
Schuld
Objektive Strafbarkeitsbedingung: Täter verübt im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit ein (vollendetes oder versuchtes) Verbrechen oder Vergehen (= sog. Rauschtat)
Übersicht Art. 19 Abs. 4 und Art. 263 StGB (Abbildung)
Zumutbarkeit normgemässen Verhaltens (Entschuldigungsgründe)
StGB kennt keinen allgemeinen Schuldausschussgrund der Unzumutbarkeits, sondern nur einzelne Entschuldigungsgründe:
entschuldbarer Notwehrexzess (Art. 16 Abs. 2 StGB)
entschuldbarer Notstand (Art. 18 Abs. 2 StGB)
Entschuldbarer Notwehrexzess: Voraussetzungen
(Art. 16 StGB)
Überschreitung der Grenzen der Notwehr
intensiver Notwehrexzess: wenn der Notwehrübende sich bei gegebener Notwehrlage nicht auf eine angemessene Verteidigung beschränkt.
extensiver Notwehrexzess: wenn eine Notwehrlage gar nicht gegeben ist —> nicht anwendbar in entschuldbarem Notwehrexzess
In entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff
asthenischer Affekt: aus einer Schwäche heraus wie Furcht, Schrecken oder Verwirrung (defensiv)
sthenischer Affekt: aus einer Stärke heraus wie Wut, Zorn oder Rache (offensiv) —> fällt nicht unter entschuldbare Aufregung oder Bestürzung —> nicht unter entschuldbarer Notwehrexzess
Proportionalität
Im Gegensatz zum rechtfertigenden Notstand müssen keine höherwertigen Interessen gewahrt werden, aber: Proportionalität muss gewahrt werden!
Entschuldbarer Notstand
(Art. 18 StGB)
Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Perosn aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben. —> Strafzumessungsregel
War dem Täter nicht zuzumuten (Unzumutbarkeit), das gefährtete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft. —> Schuldausschluss
Absolute Straftheorien
Strafe als Vergeltung für begangenes Unrecht
nicht zweckbezogen (punitur quia peccatum)
Sinn: Herstellung von Recht und Gerechtigkeit, Ausgleich des schuldhaft begangenen Unrechts, Vergeltung, Ausgleich, notwendige Reaktion, Rechtsdurchsetzung, Sühne, Versöhnung mit der Gesellschaft
Relative Straftheorien
Strafe als präventives Mittel gegen zukünftiges Unrecht (Strafzwecktheorien)
Spezialprävention
positive: Resolzialisierung, Therapierung, Besserung
negative: Individual-Abschreckung, Unschädlichmachung (Elimination)
Generalprävention
positive: Bestätigung des Rechtsbewusstseins
negative: Abschreckung aller potentiellen Straftäter
Straftheorien des StGB
Art. 47 Abs. 1 StGB: Strafzumessung nach dem Verschulden des Täters
Art. 75 Abs. 1 StGB: Zielsetzung des Strafvollzugs: Förderung des sozialen Verhaltens der Gefangenen, insbesondere die Fähigkeit, straffrei zu leben
Sanktionsarten des StGB
Strafen: Schuldausgleichender Eingriff in Rechtsgüter des Täters
Massnahmen:
Kein Schuldausgleich, rein zweckbezogener, subsidiärer und verhältnismässiger Eingriff in die Rechtsgüter des Täterss aufgrund dessen Gefährlichkeit für Einzelpersonen und Gesellschaft
Ziel: Wann immer möglich Heilung bzw. Resozialisierung (Art. 56 StGB)
Verhältnis zwischen Strafen und Massnahmen im StGB
Normalfall ist die Strafe, d.h. Geld- oder Freiheitsstrafe
Falls eine Massnahme notwendig ist, wird sie neben oder bei fehlender Schuldfähigkeit an Stelle der Strafe ausgesprochen, ihr Vollzug aber vollgezogen (Ausnahme: Verwahrung gemäss Art. 64 StGB)
dualistisch-vikariierendes System:
Wird eine freiheitsentziehende Massnahme und eine Strafe ausgesprochen, wird zuerst die Massnahme vollzogen (Art. 57 Abs. 2 StGB) und der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug wird an die (erst später vollzogene) Strafe angerechnet (Art. 57 Abs. 3 StGB).
Umgekehrt ist es bei der Verwahrung nach Art. 64 ff. StGB; dort wird zuerst die Freiheitsstrafe vollzogen und erst danach die Verwahrung (Art. 64 Abs. 2 StGB).
Strafen des StGB (Abbildung)
Geldstrafe
(Art. 34 ff. StGB)
Geldstrafe = Anzahl Tagessätze x Höhe Tagessätze
Anzahl Tagessätze: schuldensabhängig, mind. 3 und max. 180 Tagessätze
Höhe Tagessätze: abhängig von den persönlichen Verhältnissen, mind. 30.- und max. 3’000.- pro Tag
Anordnung erfolgt bedingt (Art. 42 StGB) oder unbedingt
Bei Bedingten Geldstrafen kann gleichzeitig als Verbindungsstrafe eine Busse ausgesprochen werden (Art. 42 Abs.4)
Freiheitsstrafe
(Art. 40 ff. StGB)
Maximaldauer: lebenslänglich, wenn explizit vorgesehen, sonst 20 Jahre (Art. 40 Abs. 2 StGB), mehrere Freiheitsstrafen werden nach dem Asperationsprinzip verbunden (Art. 49 StGB)
Minimaldauer: 3 Tage (Art. 40 Abs. 1 StGB)
Vollzug: bedingt (bis 2 Jahre FS möglich, Art. 42 Abs. 1 StGB), teilbedingt (bis 3 Jahre FS möglich, Art. 43 Abs. 1 StGB) oder unbedingt