1/34
Looks like no tags are added yet.
Name | Mastery | Learn | Test | Matching | Spaced |
---|
No study sessions yet.
Sexualität heute
„oversexed & underfucked“ (Aglaja Stirn) äußere Sexualisierung und innere de-sexualisierung
einerseits Pornographisierung des Alltags in den Medien
andererseits Studie zu Gesundheit und Sexualität in Deutschland (GeSiD, 2019)
Menschen zwischen 18-35 haben etwa 5 Mal im Monat Sex
Menschen zwischen 36-55 haben etwa 4 Mal im Monat Sex
77% der Menschen ohne feste Beziehung hatten keinen Sex
20% der Menschen in Beziehung hatten keinen Sex
Sexuelle Aktivität von Männern in Deutschland
im Vergleich zu vor 30 Jahren deutlich weniger (über alle Schichten und Altersgruppen, am Stärksten gesunken bei 18-30 jährigen)
Was ist normal und was ist gestört?
unauffälliges Sexualverhalten gilt als reif, produktiv, gesund
auffälliges Sexualverhalten gilt als krank, gestört
Sexuelle Störung gilt nur als Störung, wenn der Betroffene unter dem Zustand leidet und/oder wenn daraus zwischenmenschliche Schwierigkeiten resultieren
in der Sexualtherapie ist das subjektive Erleben entscheidend!
duale Norm
sexuelle Funktionsstörungen (DSM5)
eine heterogene Gruppe von Störungen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Fähigkeit einer Person sexuell zu reagieren und Sexualität genussvoll zu erleben in fast allen oder allen Fällen, in klinisch bedeutsamen Maße über den Zeitraum von mind. 6 Monaten beeinträchtigt ist
Subtypen Beginn und Verlauf
lebenslang vs erworben (primary vs secondary)
Subtypen Kontext
generalisiert vs situativ
Ätiologie Subtypen/Beschreibungskriterien
organisch
psychisch
kombinierte Faktoren
Sexuelle Funktionsstörungen der Appetenz (DSM5 vs ICD-10)
ICD-10:
Mangel oder Verlust an sexuellem Verlangen
sexuelle Aversion
gesteigertes sexuelles Verlangen
DSM5
Störung mit verminderter Appetenz beim Mann
Störung des sexuellen Interesses bzw. der Erregung bei der Frau
Sexuelle Funktionsstörungen der Erregung (DSM5 vs ICD-10)
ICD-10:
Versagen genitaler Reaktionen
Nicht organischer Vaginismus
Nicht organische Dyspareunie
DSM5:
Erektionsstörung
Genito-Pelvine Schmerz-Penetrationsstörung
Sexuelle Funktionsstörungen des Orgasmus (DSM5 vs ICD-10)
ICD-10:
Orgasmusstörung
Ejaculatio präcox
DSM5:
Vorzeitige Ejakulation
Verzögerte Ejakulation
Weibl. Orgasmusstörung
Sexuelle Funktionsstörungen der Entspannung (DSM5 vs ICD-10)
ICD-10:
mangelnde sexuelle Befriedigung
DSM5:
keine
Differentialdiagnostik
körperliche Erkrankungen → nur die somatische Diagnose wird codiert
psychische Störungen → nur die psychische Störung (affektive Störung, Psychose, Angststörung,…) wird codiert
Psychopharmaka & andere Medikamente → substanzinduzierte sexuelle Funktionsstörung
Neuerungen im ICD-11
eigenes Kapitel „conditions related to sexual health“ anstatt Zuordnung zu psychischen Störungen
fundamentaler Unterschied der Diagnosen zwischen ICD-11 und DSM5 (z.B. Ätiologie im DSM5 relevant, nur psychische Faktoren, isolierte Betrachtung als psychische Störungen; im ICD-11 irrelevant, integrativ, multifaktoriell)
Folgen der Neuerungen im ICD-11
internationale Kommunikation und Forschungszusammenarbeit stark beeinträchtigt
massive Konsequenzen für die Anwendungspraxis
Sexuelle Funktionsstörungen ICD-11
sexuelles Verlangen:
Dysfunktion mit Hypoaktivität des sexuellen Verlangens
sexuelle Erregung:
männliche Erregungsstörung
weibliche sexuelle Erregungsstörung
Orgasmus/Ejakulation:
Anorgasmie
männliche frühzeitige Ejakulation
männliche verzögerte Ejakulation
sexuelle Schmerzen:
sexuelle Schmerz-Penetrationsstörung
Prävalenzen sexuelle Funktionsstörungen (Studie USA, 1994, 18-59 Jährige)
Gesamt Lebenszeit-Prävalenz: 30% Männer, 40% Frauen
Frauen:
Verlust/Mangel an sexuellem Verlangen (32%)
Orgasmus Störungen (26%)
sexuelle Aversion (23%)
Erregungsstörung (21%)
Dyspareunie (15%)
Männer:
Ejaculatio präcox (21%)
Appetenz-Störungen (15%) - Studie von 1999
Erwktionsstörungen (10%)
Verlust/Mangel an sexuellem Verlangen (5%)
mit ICD-11 Schätzungen geringer?
Warum sind sexuelle Funktionsstörungen eher unterdiagnostiziert?
komplexe Ätiologie
Versorgungsbesonderheiten
Vermeidungsmotive bei Patient:innen und Behandelnden ! (Über 90% der Männer mit sex. Problemen gehen zum Hausarzt und präferieren Viagra)
Problem der diagnostischen Heuristik (werden nicht codiert, wenn sekundär als Ausdruck einer anderen psychischen Störung)
Risikofaktoren
Problemorientierte Normen, Mythen und Vorstellungen (persönliche sexuelle Biografie, Verbote, Tabus, Fantasiemodelle von „normaler“ Sexualität durch Medien)
Persönliche Ängste und Konflikte (sexuelle Störung hat „einen Sinn“, Versagensängste etc., religiöse Motive, verdrängte gleichgeschlechtliche Bedürfnisse)
Partnerkonflikte (Austragungsort für Nähe-Distanz Konflikte, Machtverhältnisse, Schuldzuweisung,..)
Organmedizinische Ursachen (vaskuläre, neurogene und endokrinologische Veränderungen)
Psychosche Ursachen (Psychische Störungen, Persönlichkeitszüge)
Medikamenteneinnahme & andere Substanzen (Psychopharmaka, Pharmaka, Alkohol, THC, Kokain, Opiate)
Informations und Erfahrungsdefizite (falsche Vorstellungen über physiologische Abläufe, eigenen Körper, andersgeschlechtlichen Partner)
Erwartungsängste (oft Teufelskreis mit negativen Erfahrungen)
Selbstverstärkungsmechanismus
Sexualität und ihre Wechselwirkungen
individuelle Probleme ←→Beziehungsprobleme ←→ sexuelle Probleme←→ individuelle Probleme (Zimmer, 1995)
Die Rolle der Angst
mögliche prädisponierende Ursache
verhindert sexuelle Erregung (Hemmung des autonomen Nervensystems→ physiologische Erregung unmöglich)
stört kognitive und emotionale Prozesse, die zur Entwicklung einer sexuellen Erregung notwendig sind
kann sexuelles Versagen direkt auslösen
kann die Folge eines sexuellen Problems sein
Ziele in der KVT-Sexualtherapie
Klärung der Bedeutung und der Auswirkungen der sexuellen Funktionsstörung (für betroffene Person, Partner und Beziehung)
Abbau von Erwartungs- und Versagensangst & Einstellen von Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten (Aufrechterhaltende Bedingungen)
Aufbau eines befriedigenden, sexuellen Verhaltensrepertoires
Bearbeitung von Ängsten und allen weiteren kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Faktoren, die mit der sexuellen Problematik in Zusammenhang stehen (individuelle und partnerschaftliche Ebene)
Prinzipien des KVT-Behandlungskonzepts
therapeutische Grundhaltung: Sexualität ist Veränderbar
ziel- und gegenwartsorientiert (Fokus auf auslösende und aufrechterhaltende Bedingungen des sex. Erlebens und Verhaltens)
das sexuelle Problem ist auch ein Beziehungsproblem
erfahrungsorientiertes Vorgehen (Übungen im Einzel- und Paarsetting)
gestufes Vorgehen nach Grad der Belastbarkeit
Rahmenbedingungen: keine parallele Therapie?! Zeit für Übungen
Ablauf der KVT-Sexualtherapie
Diagnostische Phase (3-5 Sitzungen)
Therapiephase (ca. 20 Sitzungen)
Abschlussphase (4-6 Sitzungen)
Therapiephase
ca. 20 Sitzungen
spezielle Übungen (je nach Störungsbild)
kognitive Therapie (Psychoedukation, kognitive Umstrukturierung)
Kommunikationstraining, Paartherapeutische Interventionen, Stress-Management
Sensualitätstraining (Sensate Focus)
Abschlussphase
4-6 Sitzungen
Stabilisierung der erreichten Fortschritte
Sitzungen ca. alle 2 Monate
Funktionen des Gesprächs über Sexualität
erste Aussprache über die sexuellen Probleme überhaupt
Möglichkeit einen sachlicheren Zugang zu den sexuellen Schwierigkeiten zu finden
motivierende und entlastende Funktion (Scham, Schuld und Ängste)
erstes Gespräch: Grundlage für den Aufbau und die Gestaltung der therapeutischen Beziehung
Sprache
Modellfunktion der Therapeutin/ des Therapeuten (sichere Einstellung und frei äußern können!)
vertraute Sprache kann Mut machen
Sprachcode kann medizinisch, umgangssprachlich, vulgär, blumig usw. sein
Regeln zum Sprechen über Sexualität
Selbstbestimmung des Patienten beachten (worüber er im Detail sprechen möchte, Zugangsberechtigung einholen)
Verantwortung und Eigenbeteiligung des Therapeuten (Themen direkt ansprechen, ohne zu sexualisieren; professionelle Neugier ≠ persönlicher Voyeurismus)
Neutralität und Professionalität wichtiger als Vertrautheit (professionelle Rolle regelt Nähe und Distanz; Reflektion eigener Moralvorstellung (mögl. Hindernisse))
Warm-up Phase
Beginn mit weniger „unangenehmen“ Fragen
bei schwierigen Themen oder sehr unsicheren Patienten
dosiert fragen und/oder Üblichkeitsfragen verwenden
„Fast alle Männer haben irgendwann Schwierigkeiten mit der Erektion. Wie häufig haben sie das schon erlebt?“
Fragen
verständlich, eindeutig, konkret, neutral
weitere Hinweise für das Gespräch
Ängste, Hemmungen und Offenheit validieren
Verhaltensweisen, deren Vorkommen vorausgesetzt werden kann, direkt ansprechen (z.B. Masturbation, Pornokonsum)
Arten von Fragen
offene, ungerichtete Fragen (z.B. über Einstellungen zu etwas oder Phantasien)
offen gerichtete Fragen/Üblichkeitsfragen (z.B. Häufigkeiten, Schwierigkeiten, unerfüllte Wünsche)
konkrete und direkte Fragen (z.B. Dauer bis Orgasmus, Häufigkeit GV mit Partner:in)
Sexualanamnese Überblick
Was ist das sexuelle Problem? (Symptom-Beschreibung)
Steht es im Zusammenhang mit anderen Problembereichen?
Wie sieht das derzeitige Sexualverhalten aus? (Verhaltensanalyse)
Wie hat sich das sexuelle Problem entwickelt? (Lerngeschichte)
Welche Motivation besteht zur Änderung der Störung?
Lebensgeschichte und Partnerschaft