Überblick: Sexuelle Funktionsstörungen, KVT Behandlungskonzept, Das Gespräch über Sexualität

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Sexualität heute

„oversexed & underfucked“ (Aglaja Stirn) äußere Sexualisierung und innere de-sexualisierung

einerseits Pornographisierung des Alltags in den Medien

andererseits Studie zu Gesundheit und Sexualität in Deutschland (GeSiD, 2019)

  • Menschen zwischen 18-35 haben etwa 5 Mal im Monat Sex

  • Menschen zwischen 36-55 haben etwa 4 Mal im Monat Sex

  • 77% der Menschen ohne feste Beziehung hatten keinen Sex

  • 20% der Menschen in Beziehung hatten keinen Sex

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Sexuelle Aktivität von Männern in Deutschland

im Vergleich zu vor 30 Jahren deutlich weniger (über alle Schichten und Altersgruppen, am Stärksten gesunken bei 18-30 jährigen)

<p>im Vergleich zu vor 30 Jahren deutlich weniger (über alle Schichten und Altersgruppen, am Stärksten gesunken bei 18-30 jährigen)</p>
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Was ist normal und was ist gestört?

  • unauffälliges Sexualverhalten gilt als reif, produktiv, gesund

  • auffälliges Sexualverhalten gilt als krank, gestört

  • Sexuelle Störung gilt nur als Störung, wenn der Betroffene unter dem Zustand leidet und/oder wenn daraus zwischenmenschliche Schwierigkeiten resultieren

  • in der Sexualtherapie ist das subjektive Erleben entscheidend!

  • duale Norm

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sexuelle Funktionsstörungen (DSM5)

eine heterogene Gruppe von Störungen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Fähigkeit einer Person sexuell zu reagieren und Sexualität genussvoll zu erleben in fast allen oder allen Fällen, in klinisch bedeutsamen Maße über den Zeitraum von mind. 6 Monaten beeinträchtigt ist

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Subtypen Beginn und Verlauf

lebenslang vs erworben (primary vs secondary)

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Subtypen Kontext

generalisiert vs situativ

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Ätiologie Subtypen/Beschreibungskriterien

  1. organisch

  2. psychisch

  3. kombinierte Faktoren

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Sexuelle Funktionsstörungen der Appetenz (DSM5 vs ICD-10)

ICD-10:

  • Mangel oder Verlust an sexuellem Verlangen

  • sexuelle Aversion

  • gesteigertes sexuelles Verlangen

DSM5

  • Störung mit verminderter Appetenz beim Mann

  • Störung des sexuellen Interesses bzw. der Erregung bei der Frau

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Sexuelle Funktionsstörungen der Erregung (DSM5 vs ICD-10)

ICD-10:

  • Versagen genitaler Reaktionen

  • Nicht organischer Vaginismus

  • Nicht organische Dyspareunie

DSM5:

  • Erektionsstörung

  • Genito-Pelvine Schmerz-Penetrationsstörung

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Sexuelle Funktionsstörungen des Orgasmus (DSM5 vs ICD-10)

ICD-10:

  • Orgasmusstörung

  • Ejaculatio präcox

DSM5:

  • Vorzeitige Ejakulation

  • Verzögerte Ejakulation

  • Weibl. Orgasmusstörung

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Sexuelle Funktionsstörungen der Entspannung (DSM5 vs ICD-10)

ICD-10:

  • mangelnde sexuelle Befriedigung

DSM5:

  • keine

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Differentialdiagnostik

  1. körperliche Erkrankungen → nur die somatische Diagnose wird codiert

  2. psychische Störungen → nur die psychische Störung (affektive Störung, Psychose, Angststörung,…) wird codiert

  3. Psychopharmaka & andere Medikamente → substanzinduzierte sexuelle Funktionsstörung

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Neuerungen im ICD-11

  • eigenes Kapitel „conditions related to sexual health“ anstatt Zuordnung zu psychischen Störungen

  • fundamentaler Unterschied der Diagnosen zwischen ICD-11 und DSM5 (z.B. Ätiologie im DSM5 relevant, nur psychische Faktoren, isolierte Betrachtung als psychische Störungen; im ICD-11 irrelevant, integrativ, multifaktoriell)

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Folgen der Neuerungen im ICD-11

  • internationale Kommunikation und Forschungszusammenarbeit stark beeinträchtigt

  • massive Konsequenzen für die Anwendungspraxis

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Sexuelle Funktionsstörungen ICD-11

sexuelles Verlangen:

  • Dysfunktion mit Hypoaktivität des sexuellen Verlangens

sexuelle Erregung:

  • männliche Erregungsstörung

  • weibliche sexuelle Erregungsstörung

Orgasmus/Ejakulation:

  • Anorgasmie

  • männliche frühzeitige Ejakulation

  • männliche verzögerte Ejakulation

sexuelle Schmerzen:

  • sexuelle Schmerz-Penetrationsstörung

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Prävalenzen sexuelle Funktionsstörungen (Studie USA, 1994, 18-59 Jährige)

Gesamt Lebenszeit-Prävalenz: 30% Männer, 40% Frauen

Frauen:

  1. Verlust/Mangel an sexuellem Verlangen (32%)

  2. Orgasmus Störungen (26%)

  3. sexuelle Aversion (23%)

  4. Erregungsstörung (21%)

  5. Dyspareunie (15%)

Männer:

  1. Ejaculatio präcox (21%)

  2. Appetenz-Störungen (15%) - Studie von 1999

  3. Erwktionsstörungen (10%)

  4. Verlust/Mangel an sexuellem Verlangen (5%)

mit ICD-11 Schätzungen geringer?

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Warum sind sexuelle Funktionsstörungen eher unterdiagnostiziert?

  • komplexe Ätiologie

  • Versorgungsbesonderheiten

  • Vermeidungsmotive bei Patient:innen und Behandelnden ! (Über 90% der Männer mit sex. Problemen gehen zum Hausarzt und präferieren Viagra)

  • Problem der diagnostischen Heuristik (werden nicht codiert, wenn sekundär als Ausdruck einer anderen psychischen Störung)

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Risikofaktoren

  1. Problemorientierte Normen, Mythen und Vorstellungen (persönliche sexuelle Biografie, Verbote, Tabus, Fantasiemodelle von „normaler“ Sexualität durch Medien)

  2. Persönliche Ängste und Konflikte (sexuelle Störung hat „einen Sinn“, Versagensängste etc., religiöse Motive, verdrängte gleichgeschlechtliche Bedürfnisse)

  3. Partnerkonflikte (Austragungsort für Nähe-Distanz Konflikte, Machtverhältnisse, Schuldzuweisung,..)

  4. Organmedizinische Ursachen (vaskuläre, neurogene und endokrinologische Veränderungen)

  5. Psychosche Ursachen (Psychische Störungen, Persönlichkeitszüge)

  6. Medikamenteneinnahme & andere Substanzen (Psychopharmaka, Pharmaka, Alkohol, THC, Kokain, Opiate)

  7. Informations und Erfahrungsdefizite (falsche Vorstellungen über physiologische Abläufe, eigenen Körper, andersgeschlechtlichen Partner)

  8. Erwartungsängste (oft Teufelskreis mit negativen Erfahrungen)

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Selbstverstärkungsmechanismus

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Sexualität und ihre Wechselwirkungen

individuelle Probleme ←→Beziehungsprobleme ←→ sexuelle Probleme←→ individuelle Probleme (Zimmer, 1995)

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Die Rolle der Angst

  • mögliche prädisponierende Ursache

  • verhindert sexuelle Erregung (Hemmung des autonomen Nervensystems→ physiologische Erregung unmöglich)

  • stört kognitive und emotionale Prozesse, die zur Entwicklung einer sexuellen Erregung notwendig sind

  • kann sexuelles Versagen direkt auslösen

  • kann die Folge eines sexuellen Problems sein

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Ziele in der KVT-Sexualtherapie

  • Klärung der Bedeutung und der Auswirkungen der sexuellen Funktionsstörung (für betroffene Person, Partner und Beziehung)

  • Abbau von Erwartungs- und Versagensangst & Einstellen von Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten (Aufrechterhaltende Bedingungen)

  • Aufbau eines befriedigenden, sexuellen Verhaltensrepertoires

  • Bearbeitung von Ängsten und allen weiteren kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Faktoren, die mit der sexuellen Problematik in Zusammenhang stehen (individuelle und partnerschaftliche Ebene)

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Prinzipien des KVT-Behandlungskonzepts

  • therapeutische Grundhaltung: Sexualität ist Veränderbar

  • ziel- und gegenwartsorientiert (Fokus auf auslösende und aufrechterhaltende Bedingungen des sex. Erlebens und Verhaltens)

  • das sexuelle Problem ist auch ein Beziehungsproblem

  • erfahrungsorientiertes Vorgehen (Übungen im Einzel- und Paarsetting)

  • gestufes Vorgehen nach Grad der Belastbarkeit

  • Rahmenbedingungen: keine parallele Therapie?! Zeit für Übungen

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Ablauf der KVT-Sexualtherapie

  1. Diagnostische Phase (3-5 Sitzungen)

  2. Therapiephase (ca. 20 Sitzungen)

  3. Abschlussphase (4-6 Sitzungen)

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Therapiephase

ca. 20 Sitzungen

  • spezielle Übungen (je nach Störungsbild)

  • kognitive Therapie (Psychoedukation, kognitive Umstrukturierung)

  • Kommunikationstraining, Paartherapeutische Interventionen, Stress-Management

  • Sensualitätstraining (Sensate Focus)

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Abschlussphase

4-6 Sitzungen

  • Stabilisierung der erreichten Fortschritte

  • Sitzungen ca. alle 2 Monate

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Funktionen des Gesprächs über Sexualität

  • erste Aussprache über die sexuellen Probleme überhaupt

  • Möglichkeit einen sachlicheren Zugang zu den sexuellen Schwierigkeiten zu finden

  • motivierende und entlastende Funktion (Scham, Schuld und Ängste)

  • erstes Gespräch: Grundlage für den Aufbau und die Gestaltung der therapeutischen Beziehung

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Sprache

  • Modellfunktion der Therapeutin/ des Therapeuten (sichere Einstellung und frei äußern können!)

  • vertraute Sprache kann Mut machen

  • Sprachcode kann medizinisch, umgangssprachlich, vulgär, blumig usw. sein

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Regeln zum Sprechen über Sexualität

  1. Selbstbestimmung des Patienten beachten (worüber er im Detail sprechen möchte, Zugangsberechtigung einholen)

  2. Verantwortung und Eigenbeteiligung des Therapeuten (Themen direkt ansprechen, ohne zu sexualisieren; professionelle Neugier ≠ persönlicher Voyeurismus)

  3. Neutralität und Professionalität wichtiger als Vertrautheit (professionelle Rolle regelt Nähe und Distanz; Reflektion eigener Moralvorstellung (mögl. Hindernisse))

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Warm-up Phase

Beginn mit weniger „unangenehmen“ Fragen

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bei schwierigen Themen oder sehr unsicheren Patienten

dosiert fragen und/oder Üblichkeitsfragen verwenden

„Fast alle Männer haben irgendwann Schwierigkeiten mit der Erektion. Wie häufig haben sie das schon erlebt?“

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Fragen

verständlich, eindeutig, konkret, neutral

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weitere Hinweise für das Gespräch

  • Ängste, Hemmungen und Offenheit validieren

  • Verhaltensweisen, deren Vorkommen vorausgesetzt werden kann, direkt ansprechen (z.B. Masturbation, Pornokonsum)

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Arten von Fragen

  1. offene, ungerichtete Fragen (z.B. über Einstellungen zu etwas oder Phantasien)

  2. offen gerichtete Fragen/Üblichkeitsfragen (z.B. Häufigkeiten, Schwierigkeiten, unerfüllte Wünsche)

  3. konkrete und direkte Fragen (z.B. Dauer bis Orgasmus, Häufigkeit GV mit Partner:in)

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Sexualanamnese Überblick

  1. Was ist das sexuelle Problem? (Symptom-Beschreibung)

  2. Steht es im Zusammenhang mit anderen Problembereichen?

  3. Wie sieht das derzeitige Sexualverhalten aus? (Verhaltensanalyse)

  4. Wie hat sich das sexuelle Problem entwickelt? (Lerngeschichte)

  5. Welche Motivation besteht zur Änderung der Störung?

  6. Lebensgeschichte und Partnerschaft