Die Neurobiologie befasst sich mit dem Aufbau des Nervensystems, die Neurophysiologie mit dessen Funktion.
Das Nervensystem besteht aus:
Zentralnervensystem (ZNS): Steuereinheit, verantwortlich für Motorik, Organfunktionen, Schlaf-Wach-Rhythmus, Informationsverarbeitung, Gefühle, Triebe und kognitive Funktionen. Botenstoffe sind Neurotransmitter. Es besteht aus Gehirn, Hypophyse und Rückenmark.
Peripheres Nervensystem (PNS): Alle Nervenfasern und -leitungen außerhalb des ZNS. Es umfasst motorische, sensible und vegetative Nerven. Das somatische Nervensystem steuert willkürliche Akte, während das vegetative Nervensystem autonom agiert.
Vegetatives Nervensystem:
Sympathikus: Versetzt den Körper in erhöhte Leistungsbereitschaft.
Parasympathikus: Wirkt antagonistisch zum Sympathikus und fördert Entspannung. Zugehörige Botenstoffe sind Acetylcholin und Noradrenalin.
Das Neuron ist die Grundeinheit des Nervensystems und besteht aus:
Zellleib mit Zellkern
Dendriten (zuführende Nervenfasern)
Axon (wegleitende Nervenfaser, Neurit)
Neurone sind durch chemische, elektrische oder mechanische Reize erregbar. Es werden verschiedene Arten unterschieden:
Multipolare Neurone: Mehrere Dendriten ziehen zum Zellleib.
Unipolare Neurone: Nur ein Fortsatz (Axon) ist entwickelt.
Pseudounipolare Neurone: Anfangsabschnitte von Axon und Dendrit sind verschmolzen.
Die Weiterleitung von Erregungen basiert auf unterschiedlichen Verteilungen von Ionen (elektrisch geladenen Molekülen) innerhalb und außerhalb der Zellmembran. Ein Konzentrationsunterschied wird durch die semipermeable Membran aktiv unter Energieverbrauch aufrechterhalten.
Die unterschiedliche Verteilung von Na^+-Ionen und K^+-Ionen bedingt eine Ladungsdifferenz, das Membranruhepotential (MRP), das durch die Na^+/K^+-Pumpe aufrechterhalten wird. Im Zellinneren befinden sich K^+-Ionen und negativ geladene Protein-Ionen, die nicht durch die Membran diffundieren können. Diese Protein-Ionen lagern sich innen an der Zellmembran an, wodurch die Innenseite negativ geladen wird (ca. -70 mV). Außerhalb befinden sich vor allem positiv geladene Na^+-Ionen.
Bei Reizung wird die Membran für Na^+-Ionen durchlässig, was zu einem lawinenartigen Einstrom führt (Depolarisation). Das Membranpotential kehrt sich um, die Innenseite wird positiv, die Außenseite negativ. Diese Spannungsschwankungen können als Aktionspotential aufgezeichnet werden.
Die Depolarisation breitet sich wie ein Zündfunke aus und erzeugt an benachbarten Stellen eine Depolarisation. Anschließend wird die Stelle durch Ausstrom von K^+-Ionen und Rücktransport von Na^+-Ionen repolarisiert, wodurch das Ruhemembranpotential wiederhergestellt wird.
Eine Erregung verläuft nach dem Alles-oder-Nichts-Gesetz: Sobald das Membranruhepotential unter einen bestimmten Wert sinkt, strömen die Na^+-Ionen ein und die Depolarisation entsteht.
Während der Depolarisation ist die Zelle refraktär, d.h. nicht erregbar, bis das Membranruhepotential wiederhergestellt ist.
Einige Nervenfasern (Axone) des PNS sind von einer Myelinscheide umgeben, die von Schwannschen Zellen gebildet wird. Zwischen den Schwannschen Zellen befinden sich die Ranvierschen Schnürringe. Je nach Myelinisierung unterscheidet man marklose, markarme und markreiche Nervenfasern. Im ZNS bilden Gliazellen die Isolationsschicht.
Die Erregungsleitung erfolgt:
kontinuierlich und langsam an marklosen Fasern.
sprunghaft (saltatorisch) von Ranvierschen Schnürring zu Schnürring und dadurch sehr schnell (bis zu 120 m/sec = 430 km/h) an myelinisierten Fasern.
Die Erregungsübertragung von einem Neuron zum nächsten erfolgt an Synapsen. Diese bestehen aus präsynaptischer Membran, Synapsenspalt und postsynaptischer Membran. In der Präsynapse sind Neurotransmitter in Bläschen gespeichert. Bei Ankunft einer Erregung werden diese in den Synapsenspalt freigesetzt.
Der Neurotransmitter diffundiert zur postsynaptischen Membran, bindet an Rezeptoren und verändert die Membrandurchlässigkeit für Na^+-Ionen, wodurch das Folgeneuron erregt wird. Beispiele für Neurotransmitter sind Acetylcholin, Noradrenalin, Adrenalin, Serotonin, GABA.
Um die Synapse wieder funktionsfähig zu machen, müssen die Neurotransmitter schnell aus dem Synapsenspalt entfernt werden, entweder durch Spaltung (z.B. Acetylcholin durch Cholinesterase) oder durch Wiederaufnahme in die Präsynapse.
Für die Weiterleitung einer Erregung sind erforderlich:
Zeitliche Summation: Rasch hintereinander folgende Erregungen einer Synapse.
Räumliche Summation: Gleichzeitige Erregung mehrerer Synapsen eines Neurons.
Räumliche Summation bedeutet, dass gleichzeitig aus verschiedenen Richtungen unterschwellige Erregungen auf ein Neuron eintreffen, im Neuron summiert werden können, und so zu einer einzelnen fortgeleiteten Erregung führen. Eine Zeitliche Summation bedeutet, dass rasch hintereinander unterschwellige Erregungen aus ein und derselben Richtung auf ein Neuron eintreffen, summiert werden können, und so zu einer fortgeleiteten Erregung führen.
Grundlage für die räumliche Summation ist die Konvergenz, wobei mehrere Neuronen auf ein weiterführendes Neuron zusammentreffen. Im Gegensatz dazu steht die Divergenz, bei der sich die Erregungsbahnen aufzweigen und mehrere Muskelfasern erregen können.
In Sinneszellen wird bei Reizeinwirkung ein Membranpotential gebildet, dessen Größe direkt proportional zur Stärke des Reizes ist. Je nach Größe des Generatorpotentials wird eine Serie von Aktionspotentialen fortgeleitet, deren Frequenz der Größe des Generatorpotentials entspricht.
In Neuronen kann aufgrund des Alles-oder-Nichts-Gesetzes nicht die Stärke, sondern nur die Frequenz der Aktionspotentiale moduliert werden.
Die Funktion des Nervensystems beruht auf einem Zusammenspiel von Hemmung und Erregung. Je nachdem, ob mehr hemmende oder erregende Neurone auf ein weiterführendes Neuron einwirken, wird dieses erregt oder gehemmt.
Ein Reflex ist eine unwillkürliche Reaktion auf einen Reiz, die immer auf dieselbe Art und Weise abläuft. Der Reflexbogen besteht aus:
Rezeptor (nimmt den Reiz auf)
Afferentes Neuron (leitet die Erregung zum ZNS)
Zentrale Umschaltstelle (Synapse)
Efferentes Neuron (leitet die Erregung zum Organ)
Effektor (meist ein Muskel, führt die Reaktion aus)
Beispiele sind Patellarreflex, Pupillarreflex, Kratzreflex.
Das Gehirn liegt im Gehirnschädel und ist durch die Gehirnhäute und Flüssigkeit gegen mechanische Einflüsse geschützt.
Gliederung des Gehirns:
Endhirn
Großhirn (Cerebrum)
Riechhirn
Stammhirn
Zwischenhirn: Hypothalamus, Hypophyse, Zirbeldrüse, Thalamus
Mittelhirn: Vierhügelplatte, Crus cerebri
Nachhirn: Kleinhirn (Cerebellum), Trapezkörper, Brücke
Verlängertes Rückenmark
Hohlraumsystem des Gehirns:
Das Gehirn enthält ein Hohlraumsystem mit vier Ventrikeln (I, II, III, IV), die mit Gehirnrückenmarksflüssigkeit gefüllt sind.
Das Stammhirn steuert und regelt lebenswichtige Vorgänge wie Kreislauf, Atmung, Ernährung, Verdauung und Brechen. Es ist an Verhaltensabläufen wie Durst, Hunger, Aggression, Flucht und Sexualität beteiligt, bildet Hormone und reguliert die Hormonproduktion in der Hypophyse.
Das Kleinhirn dient der Bewegungskoordination. Schädigungen führen zu schwankendem Gang und Stand.
Das Großhirn verarbeitet Informationen, die über Sinnesorgane und sensible Nervenfasern gelangen. Diese Informationen werden gespeichert und bewirken entweder keine Reaktion (Gedächtnis) oder eine sofortige Reaktion. Das Großhirn veranlasst bestimmte Bewegungen (motorische Cortex) und verarbeitet Erregungen der Sinnesorgane (Sehrinde, Hörrinde). Schädigungen dieser Rindengebiete führen zum Ausfall der entsprechenden Wahrnehmung, obwohl das Sinnesorgan intakt ist.
Das Rückenmark liegt im Wirbelkanal und ist von Häuten umgeben. Im Gegensatz zum Gehirn liegt die graue Substanz (Nervenzellen) innen und die weiße Substanz (Neuriten) außen. Zwischen zwei Wirbeln tritt ein Rückenmarksnervenpaar aus und führt segmental sensible Eingänge zum Rückenmark und motorische Ausgänge vom Rückenmark in die Peripherie.
Funktionen des Rückenmarks:
Leitung von Erregungen zum Gehirn und vom Gehirn in die Peripherie.
Verschaltung von sensiblen mit motorischen Neuronen zur Auslösung von Reflexen (Patellarreflex, Defäkationsreflex, Miktionsreflex).
Bei Durchtrennung des Rückenmarks kommt es zu einem Verlust der Empfindlichkeit und Bewegungsfähigkeit unterhalb der Durchtrennungsstelle (Querschnittslähmung).
Die Sinnesphysiologie befasst sich mit den Organen, die Reize aus der Außenwelt aufnehmen (Sinnesorgane) und sie über Nervenimpulse als Informationen an das ZNS weitergeben. Wichtige Sinne sind Gesichts-, Gehör-, Geruchs-, Geschmacks-, Tast-, Schmerz-, Temperatur- und Gleichgewichtssinn.
Der Gesichtssinn dient der Aufnahme von elektromagnetischen Wellen mit einer Wellenlänge von 400 - 800 nm, die vom Auge gesehen werden. Das Auge ist kugelförmig und besteht aus drei Schichten:
Äußere Schicht: Lederhaut (derbe, bindegewebige Hülle), die am vorderen Augenpol in die lichtdurchlässige Hornhaut übergeht. Die Hornhaut wird durch das Kammerwasser der vorderen Augenkammer ernährt.
Mittlere Schicht: Aderhaut (gefäßreich), die beim Fleischfresser, Wiederkäuer und Pferd eine Pigmentschicht enthält, die das einfallende Licht reflektiert. Am vorderen Augenpol geht die Aderhaut in die Regenbogenhaut (Iris) und den Ziliarkörper über. Die Iris bildet die Pupille und besteht aus glatten Muskelzellen, die die Pupille verengen oder erweitern können. Der Ziliarkörper kann die Krümmung der Linse und damit ihre Brechkraft verändern (Akkommodation) und bildet das Kammerwasser. Die Linse ist elastisch und mit den Zonulafasern am Ziliarkörper befestigt.
Innere Schicht: Netzhaut (Retina), die Sinneszellen (Stäbchen- und Zapfenzellen) für die Aufnahme von Licht sowie ableitende Nervenfasern besitzt. Im Inneren befindet sich der Glaskörper, der lichtdurchlässig ist und den Augendruck aufrechterhält.
Akkommodation:
Die Linsenkrümmung und damit die Brechkraft der Linse wird durch Kontraktion des Ziliarmuskels verändert, wodurch sich die Zonulafasern entspannen und die Linse ihre Eigengestalt mit starker Krümmung annimmt. Bei Entspannung des Ziliarmuskels wird die Linse flacher. Für Gegenstände in einer Entfernung über 5 m muss das Auge nicht akkommodieren, für nähere Gegenstände muss akkommodiert werden.
Pupillenreflex:
Die Erweiterung und Verengung der Pupille durch die Irismuskulatur dient der Regelung der ins Auge einfallenden Lichtmenge. Die Pupille verengt sich bei großer Lichtmenge und erweitert sich bei geringer Lichtmenge. Sie verengt sich zusätzlich zur Verbesserung der Tiefenschärfe beim Betrachten naher Gegenstände.
Hell-Dunkeladaption:
Bei Verminderung der Lichtmenge erweitert sich die Pupille. Die Stäbchenzellen, die für das Schwarz-Weiß-Sehen zuständig sind, übernehmen die Sehfunktion. In der Dämmerung können keine Farben, sondern nur Grautöne gesehen werden. Die Sehschärfe ist geringer als beim Tagessehen. Die Anpassung an die Dunkelheit dauert mehrere Minuten. In den Stäbchenzellen wird Rhodopsin (Sehpurpur) zum Sehen verwendet, das aus Vitamin A synthetisiert wird und bei Auftreffen von Licht gespalten wird, wodurch eine Potentialveränderung entsteht.
Fleischfresser, Pferd und Rind besitzen eine besondere Schicht in der Aderhaut, die das einfallende Licht reflektiert.
Farbsehen:
Das Farbsehen erfolgt durch die Zapfenzellen, die für die verschiedenen Frequenzbereiche des Lichts zuständig sind.
Skotom:
Der blinde Fleck (physiologisches Skotom) ist die Stelle der Netzhaut, an der der Sehnerv austritt. Beim binokularen Sehen wird er nicht wahrgenommen, da das zweite Auge die nicht gesehene Stelle ergänzt. Pathologische Skotome können mit einer Gesichtsfeldbestimmung nachgewiesen werden.
Räumliches Sehen:
Das räumliche Sehen wird durch das binokulare Sehen ermöglicht. Entfernungen können durch die relative Lage der Netzhautbildchen zueinander abgeschätzt werden. Der binokulare Sehbereich ist je nach Tierart unterschiedlich entwickelt.
Der Gehörsinn beruht auf Mechanorezeptoren, die periodische Druckschwankungen in der Luft aufnehmen. Der für den Menschen hörbare Bereich liegt zwischen 16 und 20000 Hz. Tiere können höhere Frequenzen (über 60000 Hz) wahrnehmen.
Das Ohr besteht aus drei Abschnitten:
Äußeres Ohr: Ohrmuschel und äußerer Gehörgang, leitet den Schall an das Trommelfell.
Mittelohr: Paukenhöhle, Trommelfell, Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss, Steigbügel), die den Schall verstärken und auf die Flüssigkeit im Innenohr übertragen. Die Steigbügelplatte steckt im ovalen Fenster.
Innenohr: Schneckengang, der durch häutige Hohlgebilde in drei Gänge geteilt ist, die mit Flüssigkeit gefüllt sind. Der mittlere Gang beherbergt das Corti-Organ, die Schicht der Sinneszellen für das Hören. Dieses besetzt die Basilarmembran und besteht aus Stütz- und Sinneszellen. Die Basilarmembran besitzt unterschiedliche Breit und Steifigkeit, wodurch sich unterschiedliche Resonanzfrequenzen ergeben. Durch das Schwingen des Corti Organs werden die Härchen der Sinneszellen mechanisch gereizt, und Erregungen, die zum Gehirn weitergeleitet werden, entstehen = Hören.
Das Riechorgan liegt in der Nasenhöhle und besteht aus der Riechschleimhaut und den Sinneszellen. Die Größe der Reichschleimhaut ist bei den Tierarten je nach Stärke des Geruchssinnes unterschiedlich: z.B. Schäferhund 150 cm^2, Dackel 75 cm^2, Mensch 5 cm^2. Es wird zwischen Empfindungsschwelle und Erkennungsschwelle unterschieden. Der Geruchssinn passt sich der Umgebung an (Adaption): Ein längeres Einwirken desselben Geruches wird nicht mehr wahrgenommen. Die Riechstoffe (Schlüssel) verbinden sich mit formationsmäßig passenden Rezeptoren (Schloss) der Sinneszellmembran (Schlüssel-Schloss-Prinzip).
Die Sinneszellen für den Geschmackssinn liegen in Geschmacksknospen der Mundhöhle, besonders der Zunge. Menschen besitzen z.B. ca. 9000, Schwein und Ziege ca. 15000, Kaninchen 17000, Katzen 500 und Enten 200 solcher Geschmacksknospen. Die Geschmacksarten sind süß, umami, sauer, salzig und bitter. Bei Geschmacksempfindungen ist auch der Geruchssinn beteiligt.
Die Rezeptoren für den Tastsinn liegen in der Haut und reagieren auf Druck, Berührung und Vibration.
Durch mechanische, thermische, elektrische oder chemische Einwirkungen kommt es zur Zerstörung von Zellen, wobei Substanzen frei werden, die Schmerzrezeptoren (z.B. freie Nervenendigungen) erregen. Die Funktion des Schmerzes ist der Schutz des Organismus.
Der Temperatursinn beruht auf Thermorezeptoren, die in der Haut liegen. Es werden Kaltrezeptoren (maximal bei 25° - 35°C) und Warmrezeptoren (maximal bei 38° - 43°C) unterschieden. Die Heißempfindung wird durch gleichzeitige Erregung der Hitzerezeptoren (45° - 50°C) und der Schmerzrezeptoren hervorgerufen.
Der Gleichgewichtssinn liegt neben dem Innenohr im Felsenbein und spricht auf mechanische Kräfte wie Schwerkraft und Winkelbeschleunigung an. Er besteht aus den Bogengängen und anschließenden Höhlen, die mit Flüssigkeit gefüllt sind. Bei Drehungen des Körpers wird die Flüssigkeit in den senkrecht zueinanderstehenden 3 Bogengängen beschleunigt und bewegt dadurch Sinneshärchen. Für die Schwerkraft liegen in den Höhlen Rezeptorenfelder, die zueinander senkrecht gestellt sind und auf denen kleine schwerere Teilchen (Steinchen) liegen.