Das Genom ist die Gesamtheit der Erbanlagen eines Organismus. Die Chromosomen sind die wesentlichen Informationsträger und befinden sich im Zellkern der meisten Körperzellen. Höhere Organismen haben Chromosomen paarweise im Zellkern.
Rinder: 60 Chromosomen (30 Paare)
Pferde: 64 Chromosomen (32 Paare)
Hühner: 78 Chromosomen (39 Paare)
Aufgrund dieser paarigen Sätze spricht man von diploiden Organismen. Eine Ausnahme bilden die Geschlechtschromosomen, die in einem Geschlecht kein homologes Paar bilden (z.B. XY bei männlichen Säugetieren, XX bei weiblichen; ZW bei weiblichen Vögeln, ZZ bei männlichen). Autosomen sind alle Chromosomen des Kerngenoms, die keine Geschlechtschromosomen sind. Zusätzlich gibt es ein ringförmiges Chromosom in den Mitochondrien, das ebenfalls Erbinformation trägt.
Chromosomen bestehen aus Desoxyribonucleinsäure (DNA), die von Histonen verpackt wird. Die DNA ist ein Kettenmolekül aus Zucker, Phosphatbrücken und organischen Basen (Adenin, Thymin, Cytosin, Guanin). Die Basenabfolge ist der Bauplan für die Proteinbildung und Informationsträger für Steuerungsfunktionen.
Gene sind Abschnitte auf den Chromosomen, die für Merkmalausbildungen verantwortlich sind. Sie liegen an bestimmten Orten im Genom (Genort/Locus). Die Lage wird in Genkarten dokumentiert. "Gen" kann verschiedene Bedeutungen haben, daher nutzt man präzisere Begriffe wie "Locus" (genaue Region im Genom) und "Allel" (Variante an einem Locus). Gene können sich zwischen Individuen einer Population durch unterschiedliche Basenabfolgen unterscheiden; diese Varianten nennt man Allele. Unterschiedliche Allele können zu unterschiedlichen Phänotypen führen. Die Zusammensetzung der Allele in einem Individuum ist der Genotyp. Bei zwei identischen Allelen spricht man von homozygot (reinerbig), bei zwei unterschiedlichen von heterozygot (mischerbig).
Mutationen sind plötzliche Veränderungen des Erbgutes, die zufällig passieren und zu neuer genetischer Variation (neuen Allelen) führen. Äußere Einflüsse (Strahlung, Gifte) können die Häufigkeit von Mutationen erhöhen. Mutationen in der Keimbahn sind vererbbar.
Um zwei genetisch identische Tochterzellen zu bilden, muss das Erbgut verdoppelt und dann genau aufgeteilt werden. Die meisten Zellen vermehren auch ihren übrigen Inhalt (Organellen, Makromoleküle), um ihre Größe konstant zu halten. Wachstum und Teilung müssen aufeinander abgestimmt sein. Das genetische Material in Eukaryoten ist in Chromosomen organisiert. Bakterien besitzen meist ein ringförmiges DNA-Molekül, Eukaryoten mehrere lineare, doppelsträngige DNA-Stränge (Chromosomen).
Das menschliche Genom ist ca. 2 m lang, der Zellkern jedoch nur 5 bis 8 μm im Durchmesser. Die DNA wird durch spezielle Proteine verpackt, die sie winden und in Schleifen falten, um eine höhere Organisation zu erreichen. Dieser Komplex aus DNA und Proteinen heißt Chromatin. Der Kondensierungsgrad ist dynamisch, sodass die DNA für Replikation, Reparatur und Genexpression zugänglich bleibt.
Eukaryotische Zellen haben eine bestimmte Anzahl von Chromosomen. Menschliche somatische Zellen sind diploid (2n), Fortpflanzungszellen haploid (n). Diploide Zellen (alle außer Fortpflanzungszellen) haben 46 Chromosomen (22 Autosomenpaare und 2 Geschlechtschromosomen), je 23 von einem Elternteil. Gameten (Eizellen, Spermien) sind haploid und besitzen 23 Chromosomen (22 Autosomen und 1 Geschlechtschromosom).
Der Zellzyklus besteht aus 4 Phasen, wobei die Chromosomen nur in der Mitose (M-Phase) sichtbar sind. In der Synthesephase (S-Phase) wird die DNA verdoppelt (DNA-Replikation). Die Chromosomen bestehen dann aus 2 identischen Schwesterchromatiden, die durch Kohäsin-Proteine zusammengehalten werden, besonders im Bereich der Centromere. Jedes Chromosom hat ein Centromer mit spezifischen DNA-Sequenzen, an dem sich in der Mitose ein Proteinkomplex bildet, an den Mikrotubuli binden können. Die Schwesterchromatiden bleiben im Centromer-Bereich am längsten verbunden. In der M-Phase werden sie auf die Tochterzellkerne verteilt, danach teilt sich die Zelle (Zytokinese).
Zwischen M- und S-Phase liegt die G1-Phase (Gap/Lücke), zwischen S- und M-Phase die G2-Phase. G1, S und G2 bilden zusammen die Interphase, die oft mehr als 90% des Zellzyklus ausmacht. Im Mikroskop scheint die Interphase eine Ruhephase zu sein, aber die Zelle führt hier ihre lebenswichtigen Funktionen aus und verdoppelt ihre Masse und ihr Erbgut.
M: Mitose mit anschließender Zytokinese
I: Interphase
G1: Gap1-Phase/Lücke 1 (kann in G0 verharren)
S: Synthesephase (DNA-Synthese)
G2: Gap2-Phase/Lücke 2
Der Spindelapparat ist für die Trennung der Schwesterchromatiden notwendig. Er besteht aus Mikrotubulifasern und assoziierten Proteinen, die durch Polymerisation aus Tubulindimeren aufgebaut werden. Dabei werden vorhandene Mikrotubuli zerlegt (depolymerisiert) und die α- und β-Tubulindimere als Baumaterial verwendet. Die Mikrotubuli erreichen eine komplexe Struktur an den Chromosomen, den Kinetochor, der an den Centromeren lokalisiert ist, und binden dort.
Die Mitose wird in 5 Phasen unterteilt:
Prophase: Die Chromatinfasern kondensieren zu sichtbaren Chromosomen mit Schwesterchromatiden, die an den Centromeren eng beieinanderliegen. Die in der Interphase verdoppelten Centrosomen (mit je einem Centriolenpaar) bewegen sich auseinander und wirken als Mikrotubuli-organisierende Zentren (MTOC). Die Mikrotubuli wachsen von den Centrosomen aus und drängen diese auseinander. Die Kernhülle fragmentiert.
Prometaphase: Die Kernhülle löst sich auf, die Chromosomen sind maximal verkürzt. Die Centrosomen sind an den gegenüberliegenden Polen angekommen, die Mikrotubuli wandern in die ehemalige Kernregion ein und binden an die Kinetochorstrukturen der Centromere (Kinetochor-Mikrotubuli). Andere Mikrotubuli (polare Mikrotubuli) verbinden sich nicht mit den Kinetochoren, interagieren aber mit den Mikrotubuli des gegenüberliegenden Pols. Wieder andere Mikrotubuli (Astral-Mikrotubuli) interagieren mit dem Zellcortex. Die Chromosomen können nun bewegt und angeordnet werden.
Metaphase: Die Chromosomen bilden eine Metaphaseplatte, indem sie sich in einer Ebene in der Mitte zwischen den Centrosomen anordnen. Alle Kinetochore der Schwesterchromatiden sind über Kinetochormikrotubuli mit den gegenüberliegenden Spindelpolen verbunden.
Anaphase: Die Schwesterchromatiden werden durch Auflösung der Kohäsin-Komplexe getrennt. Durch Verkürzung der Kinetochor-Mikrotubuli werden die Chromatidenpaare in Chromosomen getrennt und zu den Polen gezogen. Die polaren Mikrotubuli verlängern sich, drängen die Pole auseinander und strecken die Zelle. Am Ende der Anaphase sind die Chromosomen an den Polen angekommen, wobei jeder Pol einen vollständigen Chromosomensatz besitzt.
Telophase: Die Mikrotubuli depolymerisieren und zerfallen. Die Chromosomen werden von einer neuen Kernhülle umgeben und dekondensieren wieder. Der Kern hat wieder seine Arbeitsform. Es sind zwei Tochterkerne mit einem vollständigen Chromosomensatz entstanden.
Auf die Telophase folgt meist die Zytokinese, bei der die Tochterkerne getrennt werden. In tierischen Zellen geschieht dies durch Einschnürung unter Bildung einer Teilungsfurche, die senkrecht zur Längsachse der Mitosespindel verläuft, um sicherzustellen, dass jede Tochterzelle einen identischen und vollständigen Chromosomensatz erhält.
Der Zellzyklus muss streng kontrolliert werden. Die Teilungsraten unterscheiden sich stark zwischen Zelltypen. Äußere Faktoren wie Zellgröße und Nährstoffangebot spielen eine Rolle, ebenso wie die An- oder Abwesenheit von Nachbarzellen. Tierische Zellen, die dicht gewachsen sind, teilen sich nicht mehr weiter und gehen in das G0-Stadium über. Wachstumsfaktoren steuern den Verlauf des Zyklus.
Es gibt drei Kontrollpunkte (check points), an denen der Zellzyklus überwacht und angehalten werden kann. Das Kontrollsystem blockiert den Fortgang, wenn es Probleme innerhalb oder außerhalb der Zelle feststellt. Krebszellen unterlaufen diese Kontrollpunkte und teilen sich ungeordnet, rasch und lebenslang.
G1-Kontrollpunkt (Start/Restriktionspunkt): In der späten G1-Phase legt sich die Zelle fest, in den Zellzyklus einzutreten und die Chromosomen zu verdoppeln. Bei ungünstigen Umweltbedingungen bleibt die Zelle hier stehen und geht in die G0-Phase über, was zu einem Stopp der Zellteilung führt. Nach dem G1-Kontrollpunkt durchläuft die Zelle den restlichen Zyklus rasch (12-24 Stunden bei Säugetieren).
G2/M-Kontrollpunkt: Hier löst das Kontrollsystem die frühen mitotischen Ereignisse aus, die zur Ausrichtung der Chromosomen an der Spindel in der Metaphase führen. Es wird kontrolliert, ob die gesamte DNA repliziert ist oder ob Schäden in der DNA vorhanden sind, die noch nicht repariert wurden. Wenn dies der Fall ist darf die Zelle nicht in die Mitose eintreten, da sonst die Tochterzellen keine intakten Kopien des Genoms hätten.
Metaphase/Anaphase-Kontrollpunkt: Hier wird die ordnungsgemäße Trennung der Schwesterchromatiden gewährleistet, was zum Abschluss der Mitose und zur Cytokinese führt. Wenn nicht alle Chromosomen korrekt an die Mitosespindel (Kinetochor-Mikrotubuli) angeheftet sind, erfolgt ein Halt, da dies zu einer Ungleichverteilung der Chromosomen in den Tochterzellkernen führen würde.
Zusätzlich werden viele Vorgänge in der Zelle im Lauf des Zellzyklus kontrolliert (z.B. Energiestatus, Anzahl der Organellen). Störungen führen ebenfalls zu einem Anhalten des Zellzyklus an einem der Kontrollpunkte.
Wesentliche Regulatoren und Steuerungssysteme des Zellzyklus sind Cycline und cyclinabhängige Kinasen (CDKs). Das sind spezielle Zellzyklusproteine, die zu bestimmten Zeitpunkten verstärkt exprimiert werden, bis ihre Konzentration ein Maximum erreicht. Danach werden die Cycline schnell abgebaut. CDKs und die zugehörigen Cycline bilden Komplexe. Die CDKs aktivieren spezifisch eine Reihe anderer Proteine und steuern so den Zellzyklus. Kinasen sind Enzyme, die andere Proteine phosphorylieren können. Ihre Aktivität besteht in der Erkennung von bestimmten Proteinen anhand ihrer Struktur und Aminosäuresequenz und darin, Phosphorylgruppen an definierten Positionen der erkannten Proteine anzuhängen. Diese Modifikation führt zu einer Aktivierung oder Hemmung der Aktivität des phosphorylierten Proteins. Wie der Name schon hinweist, werden die cyclinabhängigen Kinasen (CDK = ‚cyclin-dependent kinases‘) selber erst durch die Bildung eines Komplexes mit der zweiten Gruppe der Proteine, den Cyclinen, aktiviert. Der Name „Cycline“ leitet sich vom cyclischen Verlauf der Konzentration dieser Proteine während des Zellzyklus ab. Die Aktivität der CDKs steigt und fällt in Abhängigkeit von der Konzentration der jeweiligen Cyclin-Partner.
Centromer: Bereich eines Chromosoms, welcher durch spezifische DNA-sequenzen definiert ist. In der Mitose wird hier ein Protein-Komplex (Kinetochor) ausgebildet, an den Mikrotubuli binden können. Die Schwesterchromatiden werden am Centromer am längsten zusammengehalten.
Centrosom: elektronendichter Bereich im Cytoplasma, Mikrotubuli organisierendes Zentrum mit je einem Centriolenpaar.
Schwesterchromatide: Sequenz-identische DNA- Doppelstränge nach der Neusynthese von DNA mit den zugehörigen Chromatidproteinen.
Kinetochor: Proteinkomplex, der an den Centromeren der Chromosomen lokalisiert ist. An diesen binden die Mikrotubuli, die in der Anaphase-Telophase die Schwesterchromatiden auseinanderziehen.
Zellcortex: Bereich des Cytoplasmas unmittelbar an der Zellmembran, reich an Cytoskelett- elementen.
Bei höheren Eukaryoten hat sich die Vermischung des halben genetischen Materials zweier Individuen durchgesetzt. Ein Organismus besitzt je eine Kopie der Chromosomenpaare beider Elternteile (diploider Chromosomensatz; 2n). Damit sich der Chromosomensatz nicht verdoppelt, wird in den Fortpflanzungszellen (Gameten) die Chromosomenzahl auf die Hälfte reduziert (haploider Chromosomensatz; n). Dieser Prozess wird Meiose genannt. Sie stellt sicher, dass in den Gameten von jedem Chromosom nur eine Kopie vorhanden ist. Bei getrennt geschlechtlichen Arten entstehen die Gameten (Eizellen und Spermienzellen) in verschiedenen Individuen.
Betrachtet man eine menschliche somatische Zelle im Mikroskop, kann man jedes der 46 Chromosomen nach Größe, Bandenmuster, Lage des Centromers und Länge der Chromosomenarme zuordnen. Das menschliche Karyogramm weist jeweils zwei Exemplare von Chromosom 1-22 (44 Autosomen) und zusätzlich zwei Geschlechtschromosomen auf (2 Gonosomen): zwei X-Chromosomen im weiblichen bzw. ein X- und ein Y-Chromosom im männlichen Organismus. In einer diploiden somatischen Zelle gibt es also 22 Paare homologer Chromosomen, wobei immer ein Chromosom jedes Paares vom mütterlichen und eines vom väterlichen Elternteil beigesteuert wird. Das Gonosomenpaar ist entweder homolog (X + X) oder nicht (X + Y).
Die Bezeichnung n gibt die Anzahl der Chromosomenpaare (n=23 beim Menschen) bzw. die Anzahl der Chromosomen in einer haploiden Zelle wieder, wogegen 2n=46 die Anzahl der Chromosomen in einer diploiden Zelle bezeichnet. Menschliche Zellen besitzen also 46 Chromosomen; ausschließlich Ei- und Samenzellen besitzen 23 Chromosomen.
Weibliche humane Fortpflanzungszellen (Eizellen = Oozyten) haben 22 Autosomen und ein X-Chromosom.
Männliche humane Gameten (Samenzellen = Spermien) hingegen haben 22 Autosomen und zusätzlich, zu 50% ein X- oder zu 50% ein Y-Chromosom.
Da sich bei der Befruchtung eine Oozyte (tragen immer ein X-Chromosom) und ein Spermium (50% der Spermien tragen ein X-, 50% ein Y-Chromosom) vereinigen, wird eine Geschlechterverteilung in den Nachkommen von ca. 50% männlichen und 50% weiblichen Nachkommen gewährleistet.
Der Lebenszyklus des durch sexuelle Fortpflanzung entstandenen Individuums beginnt mit der Verschmelzung von haploiden Gameten (Oozyten und Spermien) unter Bildung einer diploiden Zygote (befruchtete Eizelle). Die Reduktionsteilung läuft in weiblichen und männlichen Organismen in speziellen Organen und zu unterschiedlichen Zeiten der Entwicklung ab. Im Laufe der Embryonalentwicklung wandern Zellen in die sogenannte Genitalleiste ein und durchlaufen als Oogonien und Spermatogonien die Meiose. In den Eierstöcken (Ovarien) reifen die Eizellen (Oozyten), wobei die Meiose in der Entwicklung des weiblichen Organismus schon in der Embryonalphase vor der Geburt beginnt, aber erst nach der Pubertät jeweils einmal im Monat für meist nur eine reife Oozyte abgeschlossen wird. Die Meiose im männlichen Organismus erfolgt in den Hoden, beginnt aber erst mit der Geschlechtsreife. Im Hoden treten ab der Pubertät kontinuierlich immer wieder neue Zellen in die Meiose ein. Durch die Befruchtung reifer Eizellen mit Samenzellen wird der Kreislauf des Lebenszyklus geschlossen.
Wie bei der Mitose wird vor der Meiose das genetische Material in der S-Phase durch DNA-Replikation verdoppelt. Die Zelle hat danach einen diploiden Chromosomensatz (2n) und jedes Chromosom besitzt Schwesterchromatiden. Um haploide Gameten (n) für die Fortpflanzung zu erhalten, reicht eine einzige Reduktionsteilung nicht aus. Die Zellen müssen zwei Teilungen vollziehen, sie werden als Meiose I und Meiose II bzw. erste und zweite meiotische Teilung bezeichnet. Beide meiotischen Teilungsschritte werden in Prophase, Metaphase, Anaphase und Telophase/Cytokinese unterschieden, wobei zwischen Meiose I und Meiose II keine zwischengeschaltete DNA-Synthese stattfindet.
Nach Paarung der homologen Chromosomen werden in der Anaphase I der Meiose I die Schwesterchromatiden nicht getrennt, sondern bleiben über ihr Centromer aneinander gebunden. Es werden hier die homologen (mütterlichen und väterlichen) Chromosomen aufgeteilt. In der Anaphase der Meiose II dann werden (analog der Mitose) die Schwesterchromatiden voneinander getrennt. Von einer diploiden Zelle (mit verdoppelten DNA) ergeben sich dann 4 haploide Gametenzellen. Die Meiose garantiert so, dass nach der Befruchtung wieder ein Organismus mit diploidem Chromosomensatz (2n) entsteht und noch dazu ein Austausch des genetischen Materials erfolgt (s.u.).
Meiose I:
Prophase I: Nach Auflösen der Kernhülle und Verdichtung der Chromosomen kommt es zu einer Paarung der homologen Chromosomen. Die replizierten Chromosomen (mit 2 Schwester- chromatiden) beider Elternteile lagern sich zuerst locker aneinander (Synapsis), wobei die homologen Chromosomenabschnitte direkt aneinander liegen. Danach bilden die Homologen (auch Bivalente genannt) mit speziellen Proteinen einen engen sogenannten synaptonemalen Komplex, der sich über die Gesamtlänge der Chromosomen erstreckt und sie fest zusammenhält. In diesem Stadium kommt es zum gegenseitigen Austausch von Teilabschnitten des genetischen Materials zwischen den mütterlichen und väterlichen Chromosomen durch Einwandern des reziproken DNA- Stranges (Crossing-over). Dies ermöglicht eine Vermischung des DNA Materials beider Eltern. Auf diese Weise erfolgt eine Neuzusammensetzung (Rekombination) des mütterlichen und väterlichen Anteils des Genoms. Dies ist neben der Reduktion zu haploiden Zellen, die zweite wesentliche Funktion der Meiose. Sie führt dazu, dass Nachkommen mit einer eigenen Kombination von Eigenschaften entstehen können. Das Crossing-over gewährleistet auch, dass die homologen Chromosomen bis zur Anaphase I verbunden bleiben. Durch den Zerfall des synaptonemalen Komplexes treten die Chromosomen wieder auseinander, bleiben aber durch Chiasmata, mikroskopisch sichtbare Bereiche, in denen Crossing-over stattgefunden hat, miteinander verbunden. Wie in der Mitose wird der Spindelapparat ausgebildet und die Centrosomen wandern polwärts.
Metaphase I: Die Bivalente ordnen sich in der Metaphaseplatte an, die Kinetochor-Mikrotubuli verbinden sich mit den Kinetochoren der Centromere der homologen Chromosomen. Jeweils eines der beiden Homologen ist mit dem gegenüberliegenden Spindelpolen verankert.
Anaphase I: Wie in der Mitose verkürzen sich die Kinetochormikrotubuli und ziehen die homologen Chromosomen auseinander, die Schwesterchromatiden bleiben über die Centromere weiterhin miteinander verbunden.
Telophase I und Cytokinese: Es bilden sich zwei Tochterzellen mit einem haploiden Chromosomensatz aber mit jeweils zwei Schwesterchromatiden pro Chromosom. Artenspezifisch bildet sich eine Kernhülle und die DNA kann dekondensieren.
Meiose II:
Zwischen der Meiose I und der Meiose II erfolgt keine Verdoppelung der DNA. Die Abläufe in der Meiose II sind identisch mit der der Mitose, mit dem Unterschied, dass das Ausgangsmaterial haploide Zellen mit verdoppelter DNA sind und das Produkt somit haploide Zellen mit nur einem Chromatid. Es entstehen beim Betrachten des gesamten Ablaufes in der Meiose I + II vier Tochterzellen, wobei im weiblichen Säugetierorganismus (wie der Mensch einer ist) sich nur eine der vier Zellen zu einer reifen Eizelle entwickelt, die anderen drei Meioseprodukte jedoch degenerieren.
Zwei Ebenen der Neuordnung erzeugen somit während der Meiose neue Chromosomenkombinationen und beeinflussen die genetische Ausstattung der Nachkommen:
Unabhängige Segregation der mütterlichen und väterlichen homologen Chromosomen: Jedes einzelne Chromosom kann in der Anaphase I zu einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit an eines der beiden Pole der teilenden Zelle gezogen werden. Durch diese unabhängige Verteilung von mütterlichen und väterlichen homologen Chromosomen können somit bei einem Organismus mit n Chromosomen 2^n verschiedene haploide Keimzellen entstehen. Wenn z.B. n = 3 ist, sind 8 (2^3) unterschiedliche Keimzellen möglich. Beim Menschen (n = 23) sind es somit ungefähr 8,4 Millionen (2^{23}) Varianten!
Crossing-over in der Prophase I: Hier lagern sich die homologen Chromosomen eng aneinander an und es kommt zur Ausbildung eines Crossing-overs. Mit Hilfe einer Proteinmaschinerie (Rekombinationskomplex) werden Segmente homologer Nicht-Schwesterchromatiden ausgetauscht und dabei die Genvarianten auf den Chromosomen neu kombiniert (rekombinante Chromosomen). Die Neuverteilung der Chromosomen in der Meiose liefert zusammen mit der Rekombination, die durch das Crossing-over entsteht, eine nahezu unbegrenzte Möglichkeit der genetischen Variation in den Keimzellen eines einzelnen Individuums.
Gregor Mendel (1822-1884) begründete die moderne Vererbungslehre mit Experimenten an Erbsen. Erbsen sind diploid und können selbstbefruchten (selbsten), wodurch nach einigen Generationen fast die gesamte intraindividuelle allelische Variabilität verloren geht und beinah alle Loci im Genom homozygot sind. Um Erbsen gezielt zu kreuzen, werden die Blüten vor der Selbstbefruchtung geöffnet und Pollen übertragen.
Es werden zwei homozygote Linien für einen Locus betrachtet: die Null-Linie (L0 mit ausschließlich Allelen des Typs Null) und die Eins-Linie (L1 mit ausschließlich Allelen des Typs Eins). In der Parentalgeneration (P) wird von der Null-Linie immer ein Null-Typ Allel und von der Eins-Linie immer ein Eins-Typ Allel vererbt. Die Filialgeneration (F1) ist folglich genetisch einheitlich heterozygot (1. Mendel'sche Regel: Uniformitätsregel). Der Phänotyp der heterozygoten F1 kann dem der Null-Linie oder dem der Eins-Linie entsprechen. In diesem Fall ist das Null-Allel bzw. das Eins-Allel dominant, das alternative Allel rezessiv. Wenn die Kreuzungsprodukte anders als die beiden Elternteile ausschauen, wird die Allelausprägung kodominant genannt. Wird die F1-Generation wieder mit einer der beiden Elternlinien rückgekreuzt (hier mit der Null-Linie), erhält man eine F2-Generation. Von der Elternlinie wird immer das ihr eigene homozygote Alle vererbt (Null-Allel der Null-Linie), von der F1-Generation wird in der Hälfte der Fälle das Null-Allel vererbt, in der anderen Hälfte das Eins-Allel. [Praktisch gesehen ist ein Rückkreuzungsexperiment bei Erbsen aufwändiger als das anschließend vorgestellte "Intercross" Experiment, weil die manuelle Übertragung von Pollen von der F1 zur Parentallinie oder umgekehrt notwendig ist. Nur die einfacheren "Intercross" Experimente wurden wirklich von Mendel beschrieben.]
Anstatt die heterozygote F1-Generation zu einer Ausgangslinie rückzukreuzen, kann man auch Nachkommen der F1 untereinander kreuzen (Intercross). Bei Erbsen braucht man dazu keine künstlichen Manipulationen durchführen, weil sie ja selbsten. Es kommt sowohl auf der Pollenseite als auch auf der Eizellseite zu Meiosen mit Segregation der Allele. Die beiden Meiosen produzieren, unabhängig voneinander Gamenten mit Null- und Eins-Allelen mit Wahrscheinlichkeit von jeweils 1/2. Unabhängige Wahrscheinlichkeiten können durch Multiplizieren kombiniert werden, sodass insgesamt vier Möglichkeiten (geordnete Genotypen) entstehen können. Die Wahrscheinlichkeit für jeden Genotyp ist somit \frac{1}{2} * \frac{1}{2} = \frac{1}{4}. Die beiden heterozygoten Genotypen (01) und (10) sind nicht unterscheidbar, sodass die Gesamtaufspaltung in der Intercross F2 1:2:1 ist. Dies entspricht \frac{1}{4} zu \frac{1}{2} zu \frac{1}{4}, was Genotypen mit homozygoten Null-Allelen (00), heterozygoten Allelen (01 oder 10) und hormozygoten Eins-Allelen (11) entspricht. Die Phänotypen in der F2 entsprechen denen der Null-Linie, der F1 Generation beziehungsweise der Eins-Linie. Es ist also möglich, die Verteilung der Phänotypen in der F2 Generation aus jenen der Ausgangslinien und der F1 vorherzusagen. In Mendel's Experimenten trat eine Aufspaltung in 1:3 (oder 3:1) auf, weil bei den von ihm untersuchten Merkmalen immer Dominanz auftrat. [Diese Aufspaltung entspricht der 2. Mendel'schen Regel oder Aufspaltungsregel.]
Man kann die Verhältnisse bei einem F2-Intercross (also der Kreuzung innerhalb der F1 Generation) auch durch eine Vierfeldertafel darstellen. Die Zeilen differenzieren die Allele des ersten Elternteils, die Spalten jene des zweiten Elternteils. Es ist gleich, ob der Pollen-Elternteil oder der Eizell-Elternteil in den Zeilen oder Spalten angeordnet werden. Die letzte Spalte gibt die Wahrscheinlichkeiten der Allelproportionen des ersten Elternteils wieder (1/2 und 1/2), die letzte Zeile jene des zweiten. Aufgrund ihrer Position am Rand der Tabelle werden diese Randwahrscheinlichkeiten oder marginale Wahrscheinlichkeiten genannt. Da sich unabhängige Wahrscheinlichkeiten multiplizieren, können die vier gemeinsamen Wahrscheinlichkeiten durch Multiplikation der Randwahrscheinlichkeiten errechnet werden. Die Einträge auf der Nebendiagonale sind die beiden unterschiedlichen Möglichkeiten einen heterozygoten Genotyp zu produzieren. Fasst man die heterozygoten Genotypen zusammen, resultiert eine Aufspaltung von 1:2:1. Auch phänotypisch sind die beiden heterozygoten Genotypen normalerweise nicht unterscheidbar, sodass bei kodominanter Allelwirkung eine Phänotypenverteilung von 1:2:1 resultiert, bei dominant rezessiver Allewirkung eine Phänotypenverteilung von 3:1 beobachtet wird.
Zahlreiche Merkmale bei Tieren folgen einem monogenen Erbgang und die von Gregor Mendel aufgestellten Schemata finden auch in der heutigen Tierzucht ihre Anwendung. Es handelt sich meist um dominant/rezessive Merkmalsausprägungen. Beispiele hierfür sind die Hornlosigkeit beim Rind (Allel hornlos dominant über Allel behornt), die Tobianoscheckung beim Pferd (Allel gescheckt ist dominant über Allel nicht gescheckt), die Haarlänge bei Katzen (Allel Kurzhaar dominant über das Allel Langhaar). Weiters prägen sich für die meisten monogenen Erbkrankheiten die krankmachenden Allele rezessiv aus (Allel krank ist rezessiv gegenüber dem Allel gesund).
Betrachtet man zwei Loci und liegen diese auf unterschiedlichen Chromosomen, so werden ihre Allele unabhängig voneinander vererbt (3. Mendel'sche Regel: Unabhängigkeitsregel).
Es werden wieder die Null- und die Eins-Ausgangslinien unterschieden und es werden zwei Loci an unterschiedlichen Chromosomen betrachtet. In Abb. 2.11 stellen die vertikalen blauen Linien unterschiedliche Chromosomen dar, auf denen die zwei Loci A und B liegen. Die Null-Linie hat nur Null-Typ Allele, die Eins-Linie entsprechende mit Eins-Typ Allelen. Die F1-Generation ist wieder genetisch uniform und heterozygot an allen Loci, deren Allele sich bei den Ausgangslinien unterscheiden. Die Vererbung der Allele der beiden Loci ist unabhängig, sodass sich die Wahrscheinlichkeiten in der F2 durch Multiplikation der Wahrscheinlichkeiten der Genotypen der Loci A und B ergeben. Es ist zu beachten, dass in diesem Beispiel von der Null-Elternlinie an beiden Loci Null-Allele vererbt werden. Eine Aufspaltung unterschiedliche Allele gibt es nur bei den von der F1 produzierten Gameten.
Liegen zwei Loci auf unterschiedlichen Chromosomen, so werden ihre Allele, wie oben beschrieben, unabhängig voneinander vererbt. Liegen die zwei Loci jedoch auf demselben Chromosom, ist die Vererbungswahrscheinlichkeit der beiden Loci assoziiert (was bedeutet, dass die Allelvarianten, die am selben Chromosom liegen, gekoppelt vererbt werden). Eine weitere Größe, nämlich die Rekombinationswahrscheinlichkeit r, ist nötig um die Vererbungswahrscheinlichkeiten der beiden Loci adäquat zu beschreiben.
Es werden wieder die Null- und die Eins-Ausgangslinien unterschieden und es werden 2 Loci am selben Chromosom betrachtet. In Abb. 2.12 stellen die vertikalen blauen Linien die Chromosomen dar, auf denen die zwei Loci A und B liegen. Da die Loci am selben Chromosom liegen, spricht man von Allelkombination auf einem Chromosom (genannt Haplotyp). Die Null-Linie hat nur Haplotypen mit Null-Typ Allelen, die Eins-Linie entsprechende mit Eins-Typ Allelen. Die F1-Generation ist wieder genetisch uniform und heterozygot an allen Loci, deren Allele sich bei den Ausgangslinien unterscheiden. Jedoch kommt es während der Meiose bei der Bildung der Gameten zu Überkreuzungen zwischen den Chromosomenarmen (Crossing over). Dies ist symbolisiert durch die Kreuze in Abb. 2.12. Dieser Übergang entsteht molekular durch einen Doppelstrangbruch der DNA und Ligieren (siehe auch Kapitel Meiose). Die Rekombination hat in der Meiose keine Auswirkungen auf die Haplotypen des Chromosoms, da beide Loci für dieselben Allele homozygot sind. In der Meiose der F1 kann aber durch Rekombination ein Chromosom produziert werden, das an einem Locus der eine elterliche Typ ist, am Anderen jedoch der andere elterliche Typ weitergeführt wird.
Im Fall der Rückkreuzung zu einer Elternlinie (hier wieder die Null-Linie) erhalten die Nachkommen immer die gleichen Allele der Elternlinie (im Beispiel Abb. 2.12. also die Null-Allele der Loci A und B). In der F2 können aufgrund der Rekombination in der F1 vier Haplotypen entstehen: die Ausgangshaplotypen (wo es zu keiner oder einer geraden Anzahl an Überkreuzungen kommt, also 0, 2, 4, etc.) und zwei weitere, die durch Rekombination entstanden sind (wo es zu einer ungeraden Anzahl an Überkreuzungen kommt, also 1, 3, 5, etc.). In diesem Fall sind die entstandenen Genotypen der beiden Loci in der F2 nicht unabhängig, sondern assoziiert mit der Rekombinationsrate r, die der Proportion einer ungeraden Zahl von Überkreuzungen in diesem Intervall entspricht. Die Rekombinationsrate während der Meiose ist bei Menschen und Tier sehr niedrig: im Durchschnitt findet in etwa eine einzige Überkreuzung pro Chromosom pro Meiose statt. Liegen 2 Loci nahe benachbart auf einem Chromosom, treten neu rekombinierte Haplotypen mit geringerer Frequenz auf (r ist niedriger), als wenn die Loci weit entfernt voneinander am Chromosom liegen.