Segmentierung, Positionierung und Marketing-Mix

Einstieg & Relevanz des Themas

  • Ausgangsfrage: „Muss die Stadtbücherei cool für alle sein oder reicht eine richtig gute Zielgruppe?“
  • Kernidee: Effektives Marketing erfordert Fokus auf klar definierte Teil‐öffentlichkeiten statt „one-size-fits-all“.
  • Persönliche Reflexion: Situationen, in denen man sich angesprochen fühlte, liefern Anschauungsmaterial für zielgruppengerechte Maßnahmen (Produkt, Plakat, Social-Media-Post, Preisnachlass …).

Lernziele

  • Bedeutung der Marktsegmentierung verstehen, um heterogene Zielgruppen differenziert ansprechen zu können.
  • Strategien der Marktbearbeitung speziell im Public- und Nonprofit-Sektor beschreiben und kritisch reflektieren.
  • Positionierung als Mittel der Differenzierung gegenüber Wettbewerbern beherrschen.
  • Zusammenhang zwischen strategischem (Analyse, Segmentierung, Positionierung) und operativem Marketing (Marketing-Mix) erkennen.

Marktsegmentierung: Grundlogik

  • Zerlegung des relevanten Marktes in Segmente mit ähnlichen Merkmalen/Bedürfnissen.
  • Zweistufiger Prozess:
    1. Segmentbildung
    2. Auswahl/Zielgruppenentscheidung (Bewertung nach Unternehmenszielen, Erreichbarkeit, Wirtschaftlichkeit …)
  • Beispiel Nike
    • Regionen: Nordamerika, EMEA
    • Generationen: 1981-1995 (Millennials) vs. 1997-2012 (Gen Z)
    • Geschlecht: Männer / Frauen (Kampagne „Dream Crazier“ 2019)
    • Nutzertypen: Freizeit- vs. Leistungssportler:innen
    • Menschen mit Behinderung: „Go FlyEase“ 2021 (barrierefreier Schuh)

Segmentierungskriterien (vier Klassen)

  • Soziodemografisch: Geschlecht, Alter, Familienstand, Kinderzahl, Haushaltsgröße, Beruf, Ausbildung, Einkommen.
  • Geografisch: Land, Bundesland, Stadt / Ortsteil, Wohngebiet, Straßenabschnitt.
  • Psychografisch:
    • Allgemeine Persönlichkeitsmerkmale: Lebensstil, soziale Orientierung, Risikoneigung.
    • Produktbezogene Aspekte: Wahrnehmungen, Motive, spezifische Einstellungen, Nutzenvorstellungen (Benefits), Kaufabsicht.
  • Verhaltensorientiert: Preisverhalten, Mediennutzung, Kaufverhalten (Stammkund:innen vs. Gelegenheitsnutzer:innen).

Restriktionen im Public Marketing

  • Öffentliche Daseinsvorsorge & gesetzlicher Auftrag begrenzen das „Ausschließen“ von Gruppen.
  • Beispiel BSR (Berliner Stadtreinigung)
    • Gesetzliche Entsorgungspflicht (§ 5 Abs. 1 KrW-/AbfG Bln)
    • Aufgaben nach § 3 Abs. 3 BerlBG: Abfall- und Straßenreinigung, Grün-/Waldflächen, Winterdienst.
    • Anschluss- und Benutzungszwang (§ 4 BerlBG) → Pflicht zur flächendeckenden Leistung.
  • Weitere Restriktion: Diskriminierungsverbot.

Strategien der Marktbearbeitung

  • Dimensionen: Marktabdeckung & Differenzierungsgrad (Meffert et al. 2024, S. 313).
  • Typen:
    • Undifferenziertes Marketing (Massenansprache) – z. B. Coca-Cola Ur-Formel für alle.
    • Differenziertes Marketing (mehrere Segmente, jeweils angepasster Mix) – z. B. Nike Männer/Frauen, Freizeit/Leistung.
    • Konzentriertes Marketing (Fokus auf ein Segment) – z. B. BSR Pflichtaufgabe, trotzdem Schwerpunkt auf Berliner Bevölkerung.

Differenzierte Marktbearbeitung im Public / Nonprofit Bereich

  • Öffentliche & Nonprofit-Beispiele
    • Hamburger Friedhöfe: themenspezifische Grabfelder (z. B. muslimische Gräber).
    • Berlinische Galerie: Leitsystem & Audiotour für Menschen mit Sehbehinderung.
    • ZLB Berlin: Angebote für Kleinkinder, Jugendliche, Menschen mit Lernschwierigkeiten.
    • Frauenschwimmen Stadtbad Neukölln (geschlechtersegregiertes Zeitfenster).
    • Johanniter vs. DRK: Erste-Hilfe-Kurse, letzteres ohne spezifisches Kinderformat → differenzierte Produktplanung.

Positionierung: Definition & Ziele

  • Bewusste Gestaltung der Wahrnehmung einer Organisation/eines Angebots im Vergleich zur Konkurrenz.
  • Prüffragen:
    • Welche erfolgskritischen Eigenschaften sind für das Segment maßgeblich?
    • Wie kann man Unterschiede zum Wettbewerb herausstellen?
  • Zwei klassische Strategieoptionen
    1. Marktausschöpfung: Positionierung direkt am „Idealpunkt“ der Zielgruppe.
    2. Differenzierung: Möglichst große Distanz zu Konkurrenten, um Alleinstellung zu signalisieren.

USP vs. UVA

  • USP (Unique Selling Proposition)
    • Einzigartiges funktionales Leistungsmerkmal, technisch schwer imitierbar.
  • UVA (Unique Value Proposition)
    • Einzigartiges, psychologisch relevantes Nutzenversprechen (emotional, sozial, ökonomisch, ökologisch).
    • Beispiel: „Pflasterpass“ – Resilienzförderung durch Erste‐Hilfe‐Kurse für Kinder (emotionaler & sozialer Nutzen).

Positionierung im Umwelt- & Klimaschutz

  • Zweidimensionale Matrix:
    1. Themenfokus (Natur- & Artenschutz | Klimaschutz & Energiewende | Klima- & Generationengerechtigkeit | Systemkritik & Gesellschaftsumbau)
    2. Handlungsform (Bildung/Information | Demonstrationen | Ziviler Ungehorsam | Direkte Rechtsbrüche)
  • Klassische NPOs vs. neue Akteure
    • Neue Bewegungen meist netzwerkartig, jung, weiblich geprägt, urban-gebildetes Milieu.
    • Framing-Shift: Umweltschutz → Klimagerechtigkeit.
    • Kommunikationswandel: von Pressemitteilungen & Newslettern zu Social Media & viralen Aktionen.

Positionierungsfehler

  • Unterpositionierung: Nutzenversprechen zu vage.
  • Überpositionierung: Leistungsbild zu eng (potenzielle Kundschaft fühlt sich ausgeschlossen).
  • Unklare Positionierung: Widersprüchliche Botschaften.
  • Zweifelhafte Positionierung: Versprechen erscheinen unglaubwürdig oder nicht einlösbar.

Marketing-Konzeption (3-Phasen-Modell)

  1. Analyse
    • Markt-, Zielgruppen-, Wettbewerbsanalyse.
  2. Strategie
    • Marktfeldwahl, Segmentierung, Positionierung etc.
  3. Operatives Marketing (Marketing-Mix)
    • Abstimmung der 4 P.

Marketing-Mix: Die 4 P

  • Product (Produktpolitik)
    • Kern- & Zusatzleistungen, z. B. Service, Garantien.
  • Price (Preispolitik)
    • Preisfestlegung, Rabatte, Zahlungsbedingungen.
  • Place (Distributionspolitik)
    • Vertriebswege, Standortwahl, logistische Infrastruktur.
  • Promotion (Kommunikationspolitik)
    • Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Events, Social Media …

Fallbeispiel: Robin Wood

Strategisches Marketing

  • Marktfeldstrategie: Marktdurchdringung in Umwelt- & Klimaschutzbewegung.
  • Segmentierung: Menschen mit hoher Bereitschaft zu zivilem Ungehorsam.
  • Positionierung: Radikaler öko-sozialer Aktivismus („Kampf für Umwelt- und Klimagerechtigkeit“).

Operatives Marketing (Auszug)

  • Produktpolitik: Protest- und Störaktionen (Baum- & Dachbesetzungen, Kletteraktionen an Kraftwerken, Waldbesetzung Grünheide …).
  • Preispolitik: Mitgliedsbeiträge (Freiwilligenmodell) & Spenden.
  • Distributionspolitik: Regionale Gruppen, öffentlichkeitswirksame Protestorte.
  • Kommunikationspolitik: Pressearbeit, Newsletter, Website, Social-Media‐Kanäle.

Reflexionsfragen (Lerncheck)

  • Muss eine öffentliche Einrichtung alle zufriedenstellen oder sich auf eine Kernzielgruppe konzentrieren?
  • Eigene Aha-Momente & besonders treffende Beispiele aus der Sitzung festhalten.
  • Zentrale Erkenntnis: Fokussierung und klarer Nutzen erhöhen Relevanz & Effizienz des Marketings, selbst (oder gerade) im Public & Nonprofit Kontext.
  • Offene Punkte für Vertiefung: Weitere Methoden zur Messung von Segmentpotenzialen; ethische Grenzen bei der Zielgruppenwahl (Diskriminierungsverbot vs. Effizienz).