Glas Herstellung, Eigenschaften, Einsatzgebiete

Einführung

  • Glas wird tendenziell immer öfter für tragende Bauteile verwendet.

  • Gleichzeitig werden Tragelemente aus Metall reduziert.

  • Beispiele:

    • Apple Store (USA, NY)

    • Glaspavillon Rheinbach (Druckbelastung aus Dachlasten)

    • Ganzglasbrücke Sparkasse, Schwäbisch-Hall

    • Hauptbahnhof, Berlin

Der Werkstoff Glas

  • Definition nach TAMMANN (1861–1938): Der Glaszustand ist der eingefrorene Zustand einer unterkühlten Flüssigkeit, die ohne zu kristallisieren erstarrt ist.

  • Definition nach DIN 1259-1: Anorganisches nichtmetallisches Material, das durch völliges Aufschmelzen einer Mischung von Rohmaterialien bei hohen Temperaturen erhalten wird, wobei eine homogene Flüssigkeit entsteht, die dann bis zum festen Zustand abgekühlt wird, üblicherweise ohne Kristallisation.

Zusammensetzung

  • Kalk-Natron-Silikat-Glas:

    • 70 % Quarzsand

    • 10 % Kalk

    • 15 % Soda

    • 5 % Oxide

    • Verwendung: z.B. Flach- und Behälterglas

  • Borosilikatglas:

    • 80 % Quarzsand

    • 15 % Kalk

    • 5 % Oxide

    • Verwendung: z.B. chemikalien- und temperaturbeständiges Glas

Weitere Bestandteile und ihre Auswirkungen

Bestandteil

Chemisches Zeichen

Auswirkung

Bortrioxid

B2O3

Erhöhte Temperaturwechselbeständigkeit

Aluminiumoxid

Al2O3

Erhöhter Widerstand gegen atmosphärische Einwirkungen

Magnesiumoxid

MgO

zumischbare Stoffe

Zinkoxid

ZnO

Flussmittel zur Herabsetzung der Schmelztemperatur

Bleioxid

PbO

Erhöhung des Brechungsindex

Bariumoxid

BaO

Erhöhung des Brechungsindex / Strahlungsabsorption

Cer

Ce

UV- und Infrarotfilter / Enttrübungsmittel

Kupfer

Cu^{2+}

Färbung schwach blau

Chrom

Cr^{3+} / Cr^{6+}

Färbung grün / gelb

Mangan/Titan

Mn^{3+} / Ti^{3+}

Färbung violett

Eisen

Fe^{2+} / Fe^{3+}

Färbung blau-grün / gelb-braun

Kobalt

Co^{2+} / Co^{3+}

Färbung intensiv blau / grün

Vanadium

V^{3+}

Färbung grün, braun

Struktur

  • Glas ist ein anorganisches Schmelzprodukt.

  • Es kristallisiert beim Abkühlen nicht, was es zu einem amorphen Material macht.

Glasherstellung

  • Floatglasverfahren:

    • Zufuhr gemahlener und dosierter Glas-Rohstoffe

    • Erhitzung im Schmelzofen

    • Flüssige Glasschmelze fließt auf ein Zinnbad und kühlt langsam ab.

    • Langsames Abkühlen auf Raumtemperatur im Kühlkanal

    • Zuschnitt und Weitertransport

  • Bestandteile:

    • Quarzsand (SiO_2)

    • Soda (Na2CO3)

    • Kalk (CaCO_3)

    • ggf. Dolomit (CaMg[CO3]2)

Eigenschaften

Vorteile von Glas gegenüber anderen Werkstoffen

  • Meist transparent oder lichtdurchlässig (bis zu 80% des Tageslichts)

  • Beständig gegen Verwitterung und die meisten aggressiven Medien

  • Relativ hohe Abriebfestigkeit

  • Über weiten Temperaturbereich stabil (auch UV-beständig)

  • Wasserbeständig, staubdicht

  • Isolator gegen Elektrizität

  • Zu 100% wiederverwendbar

Nachteile von Glas gegenüber anderen Werkstoffen

  • Hoher Energiebedarf bei der Herstellung

  • Sehr spröde, kaum duktil, wenig schlagfest, nicht erdbebensicher

  • Nicht beständig gegen Fluorwasserstoffsäure und Alkalilösungen

  • Niedriger Wärmedämmwert (Einfachverglasung)

  • Geringe Einbruchsicherheit

  • Reflexionen/Blendung bei Glasfassaden

Eigenschaften im Überblick

Eigenschaft

Einheit

Kalk-Natronglas DIN EN 572-1

Borosilikatglas DIN EN 1748-1

Erdalkali-Silikatglas DIN EN 14178

Dichte \rho

kg/m^3

2500

2200-2500

2700

Härte (Knoop) HK0,1/20

N/mm^2

6000

4500-6000

5000-6000

Elastizitätsmodul E

N/mm^2

70000

60000 - 70000

77000

Poissonzahl \mu

-

0,20

0,20

0,20

Charakteristische Biegezugfestigkeit f_{g,k}

N/mm^2

45

45

45

Spezifische Wärmekapazität c

J/(kg \cdot K)

720

800

700

Mittlerer thermischer Ausdehnungskoeffizient \alpha (20 °C bis 300 °C)

K^{-1}

9,0 \cdot 10^{-6}

3,1 - 6,0 \cdot 10^{-6}

8,0 \cdot 10^{-6}

Temperaturwechselbeständigkeit (TWB)

K

40

80

40

Wärmeleitfähigkeit \lambda

W/(m \cdot K)

1,00

1,00

0,80-1,10

Brechungsindex n

-

1,50

1,50

1,50

Emissivität \varepsilon

-

0,837

0,837

0,837

Vergleich Glas und Stahl

  • Glas zeigt Sprödbruch, Stahl plastifiziert.

Vergleich Glas, Stahl und Beton

  • Berechnete Spannungsdehnungslinien unter Angabe der charakteristischen Festigkeiten für verschiedene Bauglasarten (5%-Fraktile) bzw. für Baustahl oder Beton (nur Druck).

  • linear-elastisch, homogen und isotrop

  • Bruch durch spröden Trennbruch (kein Plastifizieren)

  • Theoretische Glas(zug)festigkeit: 5000 – 8000 N/mm²

  • strukturelle Defekte (mikroskopische und makroskopische Risse an der Oberfläche); Oberflächendefekte => Spannungsspitzen am Kerbgrund => überkritisches Risswachstum

  • Tatsächliche Kurzzeit(zug)festigkeit: bis ca. 120 N/mm² (ESG)

  • reale Biegezugfestigkeit ist keine Materialkonstante, sondern sie spiegelt den Schädigungszustand der Oberfläche wieder

  • über die Oberflächendefekte kann keine Aussage getroffen werden, d.h. es existiert keine „absolute“ Materialfestigkeit

  • je größer die auf Zug beanspruchte Fläche, desto größer die Wahrscheinlichkeit des Auftreten eines Oberflächendefekts

  • Bruchausgang nicht zwingend an der Stelle der maximalen Hauptzugspannungen

Veredelung - thermische Vorspannung

  • Glas ist sehr druckfest, hat jedoch aufgrund von herstellbedingten Mikrorissen an der Oberfläche eine vergleichsweise geringe Zugfestigkeit.

  • Die Zugfestigkeit kann durch thermische Vorspannung erhöht werden.

  • Spannungsverlauf über die Scheibendicke bei thermisch vorgespanntem Glas

  • Qualitativer Spannungsverlauf in Scheibenmitte durch thermische Vorspannung

  • Eigenspannung vorhanden

  • keine thermisch eingeprägte
    *Floatglas: infolge Moment M
    äußere Spannung

  • Versagensmechanismus einer technisch gekühlten Glasscheibe

  • Floatglas

  • ESG/TVG: thermisch eingeprägte Eigenspannung

  • Aktivierung Druckfestigkeit

  • = äußere Spannung infolge Moment M

  • Superposition:

  • Oberfläche: Druckvorspannung (überdrückte Mikro- und Makrorisse) (z. B. aus Wind) (Vorspannung)

  • Einprägung eines parabelförmigen Vorspannprofils über die Glasscheibendicke.

  • Eigenspannung (inneres Gleichgewicht)

  • Herstellung:

    • Erwärmung der Glasscheibe auf ca. 600°C

    • Anschließendes schnelles Abkühlen (Abschrecken) der Glasscheibe

    • Biegen der Glasscheibe ist im gleichen Arbeitsschritt möglich

  • Produkte:

    • ESG (Einscheiben-Sicherheitsglas): thermisch voll vorgespanntes Glas

    • TVG (Teilvorgespanntes Glas): langsamere Abkühlung, dadurch geringere Vorspannung

  • Beständigkeit:

    • bleibt über Jahrhunderte erhalten

    • Spannungen relaxieren langsam bei Temperaturen über 200°C

Glasprodukte

  • Monolitische Verglasung

    • Floatglas

    • Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG)

    • Teilvorgespanntes Glas (TVG)

  • Verbundglas

    • Verbundglas (VG)

    • Verbundsicherheitsglas (VSG)

  • Mehrfachverglasung

    • Einfachverglasung

    • Isolierglasscheiben

Verbundgläser

  • Mindestens zwei Glasscheiben, die über Zwischenschichten miteinander verbunden sind

  • Eigenschaften:

    • Widerstand gegen Feuer

    • Widerstand gegen Stoßbeanspruchung

    • Verringerung der Sonneneinstrahlung und des Schalldurchgangs

Verbundsicherheitsgläser
  • Im Fall eines Glasbruchs liegen folgende Eigenschaften vor:

    • Zusammenhalten der Bruchstücke

    • Begrenzung der Öffnungsgröße

    • Gewährleistung der Resttragfähigkeit und

    • Verringerung des Risikos von Schnittverletzungen

  • Mögliche Verbundsysteme: Folien- und Gießharzverbund

Folienverbund
  • Reinigen der Scheiben

  • Layering (staubfreie und klimatisierte Umgebung)

  • Walz- oder Vakuumverfahren zur Herstellung des Vorverbundes

  • Autoklav (12 bar)

  • Verbund wirkt über Adhäsionskräfte

Gießharzverbund
  • Herstellung einer Randabdichtung

  • Einfüllen des flüssigen Gießharzes

  • Einkomponenten-Harz --> Aushärtung über UV-Bestrahlung

  • Zweikomponenten-Harz --> Aushärtung durch Beimengen von Katalysator

  • Wichtigster konstruktiver Unterschied:

    • Folien besitzen Reißfestigkeit

Isolierglasscheiben

  • abgeschlossener gasdichter Scheibenzwischenraum (SZR)

  • Wärmeschutz abhängig vom SZR

    • je größer der SZR, desto günstiger das Wärmeschutzverhalten

    • Scheiben können zusätzlich beschichtet werden

    • Edelgas im SZR (z.B. Argon)

U-Werte verschiedener Isolierglasscheiben

Verglasung

U-Wert [W/m²K]

monolithische Glasscheibe

6

Zweifach-Isolierglas mit Low-E-Beschichtung, luftgefüllt

2

Zweifach-Isolierglas, Argonfüllung

1,1

Zweifach-Isolierglas, Kryptonfüllung

0,8

Dreifach-Isolierglas, zwei Low-E-Beschichtungen, Argonfüllung

0,7

Dreifach-Isolierglas, zwei Low-E-Beschichtungen, Kryptonfüllung

0,5

Komponenten
  • Abstandshalter aus Aluminium oder Kunststoff

  • Dichtungsmittel

  • Glasscheiben

Brandschutzverglasung
  • Einsatz von Verbundgläser z.B. im Brandschutzbereich

Verbindungstechnik

  • Linienlagerung

  • Punktlagerung
    *Normales Bohrloch
    *Senkloch
    *Loch für Hinterschnittanker

  • Verklebung
    *Alu-U-Profil
    *Alu-Glashalter
    *Schraubkanal
    *Haftzugprobe bestanden
    *Haftzugprobe nicht bestanden

  • Neubau Pavillon Eiffelturm
    *Neubau Pavillon Eiffel und Pavillon Ferrié:
    je eine doppelt gekrümmte(Façade Tremie) und
    je eine geneigte Stahl-/Glasfassade(Façade Paris)

  • Neubau Aufzugeinhausung („Pagodes“)

  • Neubau begehbare Glasflächen und
    *Glasbrüstungen

  • Neubau Pavillon Eiffelturm
    *Pavillon Eiffel und Pavillon Ferrié Doppelt gekrümmte Stahl-/Glasfassade mit zweiseitig liniengelagerten Isolierglasscheiben (Façade Tremie)

Bauteilversuche

  • Betretbarkeit, Begehbarkeit, Resttragfähigkeit

  • Pendelschlagversuch

Lernziele

  • Eigenschaften von Glas kennen

  • Ziel und Ausführung der thermische Veredelung erläutern können

  • Glasprodukte benennen und unterscheiden können

  • Welches Glasprodukt würden Sie für folgende Einsatzbereiche empfehlen:

    1. Fassadenverglasung

    2. Absturzsichernde Verglasung

    3. Überkopfverglasung/Vordach