Strategisches Marketing – Vorlesung Prof. Dr. Berit Sandberg

Lernziele

  • Nach dieser Einheit können Sie …

    • den Unterschied zwischen strategischem und operativem Marketing klar benennen.

    • den relevanten Markt eines Anbieters (sachlich, räumlich, zeitlich) abgrenzen.

    • aus einer Situationsanalyse strategische Stoßrichtungen ableiten.

    • präzise und kontrollierbare Marketingziele formulieren (SMART-Prinzip).

Strategisches vs. Operatives Marketing

  • Strategisches Marketing

    • Zeithorizont: 1–5 Jahre (mittel- bis langfristig)

    • Richtungsweisend, strukturbildend, schwer reversibel

    • Bsp.: Definition der Zielgruppe für ein neues Angebot

  • Operatives Marketing

    • Zeithorizont: bis 1 Jahr (kurzfristig)

    • Umsetzungs- und maßnahmenorientiert, flexibel, situativ anpassbar

    • Bsp.: Konkrete Ansprache der Zielgruppe in einer Kampagne (Flyer, Social Media)

  • Cartoon-Impuls (Tom Fishburne): „Are you sure we should base our marketing plan on everything just getting back to business as usual?“ – Warnung vor reiner Routine ohne Strategie.

Fallbeispiel »KulturKids e.V.«

  • Mission: „Kulturelle Teilhabe für Kinder aus benachteiligten Familien“

  • Leuchtturm-Projekt: „Kunst im Park“

  • Reflexionsfragen

    • Was wurde gut gemacht?

    • Wo liegen Defizite (z. B. Fokus nur auf Flyer, fehlende digitale Kanäle)?

Relevanter Markt (KulturKids-Beispiel)

  • Gesamtmarkt: Freizeit- und Bildungsangebote für Kinder & Jugendliche in Berlin

  • Relevanter Markt (dreidimensionale Abgrenzung)

    • Sachlich: kulturelle Freizeit-/Bildungsangebote für Kinder

    • Räumlich: Berlin-Pankow

    • Zeitlich: Sommermonate

  • Marktsegment (= ausgewählte Zielgruppe im relevanten Markt): Kinder in benachteiligten Lebenslagen

  • Praktische Konsequenz: Kommunikation, Angebotstermine, Partnerwahl strikt am relevanten Markt ausrichten.

Strategische vs. Operative Marktforschung

  • Strategische Marktforschung

    • Selten, tiefgreifend, unterstützt Grundsatzentschei­dungen

    • Inhalte: Markt-, Wettbewerbs-, Zielgruppen-, Imageanalysen

    • Beispiele: Machbarkeitsstudie „Maquaria“ Zoo Magdeburg (2018), Besucherbefragung Zoo Leipzig

  • Operative Marktforschung

    • Kurzfristig, regelmäßig, nahe an Maßnahmen

    • Instrumente: Zufriedenheitsbefragung, Mystery-Check, Werbemitteltest

Situationsanalyse (systematische Bestandsaufnahme)

  • Zweck: Faktenbasis für Marketing­entscheidungen schaffen

  • Übergreifende Instrumente

    • SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats)

    • PESTEL-Analyse (Political, Economic, Social, Technological, Environmental, Legal)

    • Portfolio-Analyse

  • Marketing-spezifische Instrumente

    • Marktanalyse (z. B. Gartenreich Dessau-Wörlitz 2002)

    • Wettbewerbsanalyse (Interkommunale Museumslandschaft Ochsenkopf 2017)

    • Zielgruppenanalyse (Tourismusnetzwerk Thüringen 2018)

Quantitative Kennzahlen der Marktanalyse

  • Marktpotenzial

    • \text{Marktpotenzial}=\text{Zielgruppengröße}\times \text{Kauffrequenz}\times \text{Preis}

  • Marktvolumen

    • \text{Marktvolumen}=\text{Anzahl Käufer:innen}\times \text{Kauffrequenz}\times \text{Preis}

  • Marktsättigung

    • \text{Marktsättigung}=\frac{\text{Marktvolumen}}{\text{Marktpotenzial}}\times100

  • Absoluter Marktanteil

    • \frac{\text{Eigener Absatz}}{\text{Gesamtabsatz Markt}}\times100 bzw. Umsatz-Variante

  • Relativer Marktanteil

    • \frac{\text{Eigener Absatz}}{\text{Absatz stärkster Wettbewerber}}\times100 (oder Umsatz)

Bedeutung im Public- & Nonprofit-Marketing

  • Planung von Angebot & Standort → Fokus auf Bedarf statt Gewinn.

  • Erfolgs-/Wirkungs­messung: Reichweite, Missionserfüllung.

  • Konkurrenzebenen

    • Direkte Konkurrenz (identische Produkte; z. B. Deutsche Post vs. DHL)

    • Indirekte Konkurrenz (alternatives Bedürfnis; z. B. ÖPNV vs. Individualverkehr – Deutschlandticket als neuer Impuls)

    • Substitutionskonkurrenz berücksichtigt.

Marktfeldstrategien (Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff)

Gegenwärtige Produkte

Neue Produkte

Gegenwärtige Märkte

Marktdurchdringung

Produktentwicklung

Neue Märkte

Marktentwicklung

Diversifikation

  • Anwendung: Festlegung strategischer Stoßrichtungen

  • Quellenhinweis: Meffert et al. (2024), S. 288

Mini-Case »BVG« (Berliner Verkehrsbetriebe)

  • Verkehrspolitisches Ziel: ÖPNV-Anteil am Gesamtverkehr erhöhen

  • Öffentlicher Auftrag (2020-2035): „zuverlässig, barrierefrei, umweltfreundlich“

  • Unternehmensziel (2025-2027): „Stabilität vor Wachstum“ (Konsolidierung, Modernisierung, Fahrgastzufriedenheit)

  • Strategische Marketingziele

    • Kundenzufriedenheit & ‑bindung steigern

    • Digitale Angebote ausbauen

    • Markenidentität stärken

  • Chronik wesentlicher Marketing- & Innovationsmaßnahmen

    • 2015: Imagekampagne #weilwirdichlieben

    • 2018: BVG × Adidas Ticket-Sneaker (Schuh als Fahrschein, starker PR-Effekt)

    • 2019: Jelbi-App (Integration ÖPNV + Sharing)

    • 2022: Muva Rufbus (On-Demand-Service für mobilitätseingeschränkte Personen in Ost-Berlin)

    • 2022: 9-Euro-Ticket (Vorläufer Deutschlandticket)

    • 2025 (geplant): Muva-Ausweitung auf Tarifbereich AB

Transferaufgabe (KulturKids)

  • Für jedes Feld der Matrix eine Handlungsoption formulieren; dabei Zielgruppe (Kinder in benachteiligten Lebenslagen in Berlin-Pankow) und Sommer-Fokus berücksichtigen.

Zielhierarchie & SMART-Formulierung

  • Ebenen am Beispiel KulturKids e.V.

    • Mission: „Benachteiligten Kindern kulturelle Teilhabe ermöglichen“

    • Organisationsziel: „Mehr Kinder aus Problemkiezen erreichen“

    • Strategisches Marketingziel: „Reichweite von ‘Kunst im Park’ in Weißensee erhöhen“

    • Operatives Marketingziel: „Bis Juni 500 Flyer in Kitas und Grundschulen des Komponistenviertels verteilen“

SMART-Modell

Kriterium

Bedeutung

Beispiel

Spezifisch

Konkret, eindeutig

„Mehr Kinder mit Migrationsgeschichte …“

Messbar

Quantifizierbar

„+25 %“

Attraktiv

Angemessen, akzeptiert

„Mit freiwilligen Helfer:innen machbar“

Realistisch

Mit Ressourcen umsetzbar

„Fördermittel vorhanden“

Terminiert

Zeitlich fixiert

„Bis zum 3. Quartal dieses Jahres“

  • Beispiel SMART-Ziel: „Die Anzahl der Kinder mit Migrationsgeschichte bei ‚Kunst im Park‘ soll bis zum 3. Quartal dieses Jahres um 25 % steigen.“

  • Unscharfes Ziel → SMART präzisieren (Übungsaufgabe).

Marketing-Konzeption (3-Phasen-Modell)

  1. Analyse

    • Markt-, Zielgruppen-, Wettbewerbsanalyse

  2. Strategie

    • Marktfeldstrategie, Segmentierung, Positionierung usw.

  3. Operatives Programm (Marketing-Mix)

    • Produkt-, Preis-, Distributions-, Kommunikationspolitik

  • Leitfrage aus dem Seminar-Titel: „Können zu viele Flyer einen Verein ruinieren?“

    • Hinweis auf Balance zwischen Strategie (Ziel, Zielgruppe, Botschaft) und operativer Maßnahme (z. B. Flyer)

Reflexion / Lerncheck

  • Persönliche Aha-Momente festhalten

  • Zentrale Erkenntnis des Seminars identifizieren

  • Offene Fragen formulieren (z. B. „Wie messe ich Kulturbeteiligung qualitativ?“)