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Vorlesung_Kap._7

Organisation der Buchhaltung

  • Die Organisation durchdringt alle Bereiche eines Unternehmens, von Einkauf über Produktion und Vertrieb bis hin zu Forschung, Entwicklung und Rechnungswesen.

  • Organisieren bedeutet, klare, formale Regeln zu etablieren in Form von Richtlinien, Arbeitsanweisungen und detaillierten Prozessbeschreibungen.

  • Dies ist besonders wichtig bei wiederkehrenden Geschäftsvorfällen, wie sie im Rechnungswesen typisch sind (z.B. beim Wareneinkauf und -verkauf).

  • Klare Definitionen und eine einheitliche Umsetzung sind entscheidend für die konsistente Behandlung aller Transaktionen.

Fachliche Themen
  • Umfasst die detaillierte Interpretation der Regelungen des Handelsgesetzbuches (HGB) im Kontext der spezifischen Geschäftstätigkeit des Unternehmens.

  • Beispiel: Die genaue Bestimmung, wann Erlöse aus Warenverkäufen bilanziell realisiert werden dürfen, ist entscheidend für die Umsatzrealisierung.

Prozessuale Themen
  • Beinhaltet die Definition von umfassenden Prozessen für das Rechnungswesen und deren Integration in die übergreifenden Unternehmensprozesse.

  • Die Rolle der IT ist hierbei zentral: Einsatz von spezialisierter Software für die Finanzbuchhaltung oder umfassenden ERP-Systemen (Enterprise Resource Planning), wie z.B. SAP.

Organisation der Finanzbuchhaltung

Von Dritten betriebene Finanzbuchhaltung
  • Hierbei wird die Finanzbuchhaltung vollständig an externe Dienstleister ausgelagert, wodurch keine eigene Buchhaltungsabteilung im Unternehmen erforderlich ist.

  • Belege werden systematisch gesammelt und an einen Steuerberater übermittelt, der dann den Jahresabschluss erstellt.

  • Diese Vorgehensweise ist besonders typisch für kleine bis mittlere Handwerksbetriebe und Start-ups, die sich auf ihre Kerngeschäftstätigkeiten konzentrieren möchten.

  • Das Outsourcing an Steuerberater ist vorteilhaft, da diese Experten in der Erstellung von Steuererklärungen sind (Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer).

  • Steuerberater verwenden häufig die Software DATEV.

    • DATEV ist eine Genossenschaft mit Sitz in Nürnberg, die über 7.000 Mitarbeiter beschäftigt und einen Umsatz von über 1 Mrd. Euro erwirtschaftet.

Eigenständig betriebene Finanzbuchhaltung
  • Umfasst die eigenverantwortliche Erfassung und Verbuchung aller Geschäftsvorfälle im Unternehmen, inklusive komplexer Vorgänge wie Wareneinkäufe mit Rabatten, Boni und Skonti sowie Warenverkäufe, Rückstellungen und Abgrenzungsposten.

  • Der Einsatz von spezialisierter Software ist unerlässlich, wobei Haufe Lexware eine gängige Option für mittelständische Unternehmen darstellt.

  • Die Finanzbuchhaltung kann zentral in der Hauptverwaltung angesiedelt sein.

  • Beispiel: Ein mittelständisches Ingenieurbüro mit mehreren Betriebsstätten kann die Buchhaltung zentral am Hauptstandort (z.B. in Flensburg) führen.

  • Der Funktionsbereich Rechnungswesen (externes Rechnungswesen) wird vollständig abgedeckt.

  • Es ergeben sich erweiterte Auswertungsmöglichkeiten, die jedoch im Vergleich zu den Möglichkeiten integrierter ERP-Systeme begrenzt sind.

Dezentral betriebene Finanzbuchhaltung

  • Hierbei unterhält jede Betriebsstätte eine eigene Buchhaltungsabteilung.

  • Diese Organisationsform war früher üblich, ist aber aufgrund moderner IT-Unterstützung seltener geworden.

  • Belege werden zunehmend automatisch erfasst und eingescannt.

  • Künstliche Intelligenz (KI) spielt eine wachsende Rolle bei der Datenextraktion aus PDF-Dokumenten und der automatischen Einspeisung in die Finanzbuchhaltung/ERP-Systeme.

Shared Service Center

  • Separate Unternehmenseinheiten in großen Konzernen, die zentrale Dienstleistungen für andere Geschäftsbereiche und Tochterunternehmen erbringen.

  • Häufig anzutreffen bei DAX-Konzernen (DAX 30, MDAX, SDAX).

  • Zentralisierung von Unterstützungsfunktionen (insbesondere externes Rechnungswesen) in eigenen Tochtergesellschaften.

  • Teilweise Verlagerung in Niedriglohnländer (z.B. Indien) zur Kosteneinsparung.

  • Nutzung von umfassender ERP-Software (Enterprise Resource Planning), wie z.B. SAP.

Software- und Buchhaltungssysteme

FiBu-Software
  • Konzentriert sich primär auf den Funktionsbereich Rechnungswesen (externes Rechnungswesen).

  • Ermöglicht die umfassende Erfassung aller relevanten Belege und die Erstellung des Jahresabschlusses.

ERP-Systeme
  • Wesentlich umfangreicher, komplexer und leistungsfähiger als FiBu-Software.

  • Decken alle wesentlichen Funktionsbereiche des Unternehmens ab und integrieren diese.

  • Die Implementierung ist ein zeitaufwendiger Prozess, der oft mehrere Jahre (3-5 Jahre) in Anspruch nimmt.

  • Umfassende Dokumentation aller Geschäftsprozesse im Unternehmen und deren Abbildung im System sind erforderlich.

  • Ermöglichen ein effizienteres Arbeiten durch Standardisierung und Verkürzung der Prozessdurchlaufzeiten, was zu Kostensenkungen führt.

  • Dienen nicht nur der Effizienzsteigerung, sondern auch der Effektivität, indem sie die Steuerung des Unternehmens durch detaillierte Datenauswertungen ermöglichen.

  • Es gibt teilweise branchenspezifische Lösungen, die auf die besonderen Bedürfnisse einzelner Industrien zugeschnitten sind.

Marktanteile ERP Software in Deutschland

  • SAP: 55%

  • Microsoft

  • Sage

  • Infor

  • Oracle

  • SAP ist ein weltweit führendes Softwareunternehmen mit Hauptsitz in Walldorf.

  • Es ist von Vorteil, sich mit SAP auseinanderzusetzen, da es in Deutschland eine hohe Marktdurchdringung aufweist.

Struktur des SAP-Systems

  • Das SAP-System ist in drei Hauptfunktionsbereiche unterteilt:

    • Logistik

    • Personal

    • Rechnungswesen

Logistik
  • Umfasst folgende Komponenten:

    • Materialwirtschaft (MM - Materials Management)

    • Produktionsplanung (PP)

    • Vertrieb (SD - Sales and Distribution)

Personal
  • Beinhaltet die Komponenten:

    • Personalmanagement

    • Personalentwicklung

    • Personalabrechnung

Rechnungswesen
  • Besteht aus den Komponenten:

    • Finanzwesen (FI - Finance)

    • Treasury (TR)

    • Controlling

    • Unternehmensweites Controlling (Entity Controlling)

  • Subkomponenten von FI:

    • Hauptbuch (FI-GL - General Ledger)

    • Kreditorenbuchhaltung (FI-AP - Accounts Payable)

Eingabemasken im SAP-System

Beispiel 1: Einkauf von Büromaterialien für 100 Euro gegen Barzahlung
  • Eingabemaske für einen Sachkontenbeleg.

  • Erfassung von Belegdatum, Buchungsdatum, Währung (Euro) und Belegkopftext.

  • Auswahl des Buchungskreises (z.B. Firma Best Run Germany mit Sitz in Frankfurt).

  • Angabe der Konten: Handkasse (Haben) und Büromaterial (Soll).

  • Festlegung des Steuerkennzeichens (z.B. V0 für 0% Umsatzsteuer).

  • Zuordnung zu einer Kostenstelle (zur Identifizierung der Verantwortlichkeit für die Kosten).

Beispiel 2: Erfassung einer Eingangsrechnung (Einkauf von Waren für 11.900 US-Dollar auf Ziel)
  • Auswahl des Buchungskreises und des Vorgangs (Rechnung).

  • Erfassung von Rechnungsdatum, Buchungsdatum, Betrag (11.900 US-Dollar) und Währung (US-Dollar).

  • Angabe der Steuerart (z.B. Vorsteuer Inland 19%).

  • Festlegung der Zahlungsbedingungen (z.B. 14 Tage 3%, 30 Tage 2%, 45 Tage netto).

  • Hinterlegung von Kreditordaten (Lieferant, Adresse, Bankkonto, offene Posten).

  • Optional: Bestellbezug, Sachkonto, Material, Kontraktbezug.

  • Ermöglicht die eindeutige Zuordnung zu einer Bestellung im System.

EnBW: Wechsel zu SAP S/4HANA ist ein Kraftakt

  • Die Umstellung von einem SAP-System auf ein anderes stellt eine erhebliche Herausforderung für Unternehmen dar (organisatorisch, finanziell und personell).

  • EnBW (Energie Baden-Württemberg) umfasst 300 rechtlich selbstständige Gesellschaften.

  • Die veranschlagte Zeit für die vollständige Umstellung beträgt 6 Jahre.

Richtlinien zur Organisation der Buchhaltung

  • Bilanzierungsrichtlinie

  • Kontenplan

  • Kontierungsrichtlinie

Bilanzierungsrichtlinie
  • Detaillierte Festlegung, wie spezifische Geschäftsvorfälle zu buchen sind.

  • Berücksichtigung von bestehenden Wahlrechten und Interpretationsspielräumen in den Bilanzierungsvorschriften (HGB, IFRS, US-GAAP).

  • Der Umfang beträgt oft 100-200 Seiten.

Kontenplan
  • Umfassendes Verzeichnis aller Konten eines Unternehmens.

  • Sachlogische Gliederung der Konten in Kontenklassen.

  • Orientierung an standardisierten Kontenrahmen (Industriekontenrahmen, Gemeinschaftskontenrahmen der Industrie).

  • Größere Unternehmen verwenden oft individuelle und sehr detaillierte Kontenpläne.

  • Beispiele für standardisierte Kontenrahmen:

    • SKR03

    • SKR04

Kontierungsrichtlinie
  • Detaillierte Beschreibung, welche Geschäftsvorfälle auf den einzelnen Konten zu verbuchen sind.

  • Sorgt für eine einheitliche Behandlung von wiederkehrenden Tätigkeiten und Geschäftsvorfällen.

  • Der Umfang beträgt oft mehrere hundert Seiten.

Beispiel für einen Kontenplan: SKR04 der DATEV

  • Branchenunabhängig.

  • Folgt dem Abschlussgliederungsprinzip (Gliederung anhand der Systematik des Jahresabschlusses).

  • Kontenklasse 0: Anlagevermögen.

  • Kontenklasse 1: Umlaufvermögen.

  • Kontenklasse 2: Eigenkapital (Passivseite).

  • Kontenklasse 3: Rückstellungen.

  • Kontenklasse 4: Umsatzerlöse (GuV).

  • Kontenklasse 5: Materialaufwendungen (GuV).

  • Kontenklasse 6: Personalaufwand (GuV).

Übersicht der Konten

  • Vier Hauptkontentypen:

    • Aktive Bestandskonten

    • Passive Bestandskonten

    • Aufwandskonten

    • Ertragskonten

  • Aktive und passive Bestandskonten werden in der Bilanz ausgewiesen.

  • Aufwands- und Ertragskonten sind Bestandteile der Gewinn- und Verlustrechnung.