Gerechtigkeit und Recht

Chaim Perelman: Über die Justiz (1945)

6 Gerechtigkeitsformeln nach Chaim Perelman

1. Jedem das Gleiche

  • Inhalt: Alle Menschen werden gleich behandelt, ungeachtet ihrer Situation und Unterschiede.
  • Beispiel: Gleiches Wahlrecht für alle Bürger.
  • Kritik: Individuelle Besonderheiten werden nicht berücksichtigt. Z.B. gilt für jeden in DE das Grundgesetz.

2. Jedem nach seinen Bedürfnissen

  • Inhalt: Ressourcen werden basierend auf individuellen Bedürfnissen verteilt; Bedürftigkeit muss vorher klar definiert sein; Leiden vermindern.
  • Beispiel: Sozialhilfe für Bedürftige; jemandem, der kein Essen hat und Hunger leidet, Essen geben.
  • Kritik: Formale Kriterien müssen definiert sein; wer legt Definition fest? Es gibt kein allgemeines Maß; Bedürfnisse sind subjektiv; System ist ausnutzbar. z.B wird swag als lebenswichtig gefälscht und nicht objektiv.

3. Jedem nach seinen Verdiensten

  • Inhalt: Belohnung basierend auf individuellen Leistungen oder Verdiensten.
  • Beispiel: Beförderung im Beruf; Karma im Hinduismus und Buddhismus (wer mehr gute Taten leistet, sammelt mehr Karma und wird als höheres Lebewesen wiedergeboren).
  • Kritik: Diese Form der Gerechtigkeit vernachlässigt die Beurteilung von Leistungen. Verdienst ist subjektiv.

4. Jedem nach seinem Werk

  • Inhalt: Verteilung entsprechend der geleisteten Arbeit (Ergebnis wird belohnt).
  • Beispiel: Wettbewerbe, Tests in der Schule (vorbereitet vs. Spickzettel), Entlohnung von Arbeit nach Endergebnis.
  • Kritik: Das Resultat/Ergebnis steht im Mittelpunkt und der Weg die Anstrengung bis dahin wird nicht berücksichtigt.= einfach, weil Maßstab eindeutig feststeht. Unterschiedliche Voraussetzungen; harte Arbeit, dennoch weniger Lohn (z.B. Pflege); nicht jeder ist zur gleichen Leistung fähig, Absichten + Werte irrelevant.

5. Jedem nach seiner sozialen Stellung

  • Inhalt: Verteilung basierend auf gesellschaftlicher Position oder Rang (aristokratische Konzeption; Gleichheit des gesellschaftlichen Ranges, Orientierung am Status).
  • Beispiel: Sklaverei, Diktatur, Kastensystem in Indien; bspw. angesehene Berufe (Arzt oder Anwalt) wichtiger.
  • Kritik: Es geht nach Hierarchie, nicht nach Bedürfnissen. Benöt Rangsystem widerspricht den Menschenrechten, Unterdrückung könnte gerechtfertigt werden, Leistung wird nicht berücksichtigt.

6. Jedem gemäß dem Gesetz

  • Inhalt: Gleichbehandlung gemäß den bestehenden Gesetzen (gerecht, Regeln eines bestimmten Rechtssystems anzuwenden Orientierung an Gesetzen).
  • Beispiel: Gesetze der BRD; Richter ist gerecht, wenn er in gleichen Situationen die gleichen Gesetze des Landes anwendet.
  • Kritik: Gerechtigkeit unterscheidet sich innerhalb von Rechtssystemen; nicht für jede Situation existieren Gesetze; Redit ist nicht unbedingt gerecht, Rechtslücken.

Symbolik der Justitia

  • Römische Göttin der Gerechtigkeit.
  • Waage: Abwägung von Argumenten und Beweisen.
  • Schwert: Durchsetzungskraft des Rechts und Bestrafung von Unrecht.
  • Augenbinde: Zeigt Unparteilichkeit der Justiz, in dem Sie ohne Ansehen der Person urteilt.

Gerechtigkeitstheorien

Thomas Hobbes - Leviathan

  • Naturzustand des Menschen als Krieg alle vs. alle (Chaos, Neid,…).
  • Um Chaos zu entkommen, schließen Menschen Gesellschaftsvertrag und übertragen Rechte auf Souverän.
  • Leviathan sorgt für Ordnung.
  • Gerechtigkeit entsteht durch Einhaltung des Vertrags.

John Rawls - Eine Theorie der Gerechtigkeit

  • Schleier des Nichtwissens: Individuen wählen ohne Kenntnis ihres Ranges Gerechtigkeitsprinzip.
  • Daraus resultieren zwei Prinzipien:
    • Gleichheitsprinzip: Gleiche Grundrechte für alle.
    • Differenzprinzip: Ungleichheiten sind nur gerechtfertigt, wenn sie den am wenigsten Begünstigten zugutekommen.

Naturrecht und Positives Recht

Naturrecht

  • Über positivem Recht.
  • Universell, unveränderlich und vernunftbegründet.
  • Werden nicht vom Menschen geschaffen.
  • Naturrecht als göttliche Ordnung.

Positives Recht

  • Von einer gesetzgebenden Autorität gesetztes Recht.

Gustav Radbruch

  • Gesetz gilt auch dann, wenn es ungerecht ist.
  • Es sei denn, dass die Ungerechtigkeit das unerträgliche Maß überschreitet und das Gesetz inhaltlich jeglicher Gerechtigkeit entbehrt.

Straftheorien

Absolute Straftheorie

  • Strafe um der Strafe willen (ius talionis).
  • Schuld ausgleichen.
  • Kant
  • Vergangenheitsbezogene Gerechtigkeit

Relative Straftheorie

  • Straftaten verhüten, nicht sühnen.
  • Zukunftgerichtet
  • Zwei Prinzipien:
    • Generalprävention: Abschreckung potenzieller Täter auch Strafdrohung; Stärkung des Rechtsbewusstseins.
    • Spezialprävention: Unschädlichmachung des Täters; Besserung/Resozialisierung.

Vereinigungstheorie

  • BRD.
  • Kombination aus Schuldprinzip (absolute Theorie) und Prävention (relative Theorie).
  • Strafe bemisst sich nach Schuld des Täters, aber berücksichtigt auch Wirkung auf Täter und Allgemeinheit.